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Alessandro Marcello Oboenkonzert d-Moll

Alessandro Marcello | Bildquelle: gemeinfrei

Bildquelle: gemeinfrei

Das starke Stück

Alessandro Marcello - Oboenkonzert d-moll

"Dieses Konzert ist nicht nur der sogenannte Archetypus des Oboenkonzerts, das erste richtige virtuose solistische Oboenkonzert der Geschichte. Sondern es war so beliebt und auch so beeindruckend, dass Johann Sebastian Bach sich das hat kommen lassen, und er hat es für sein Instrument bearbeitet, für den Kielflügel, also das Cembalo." (Albrecht Mayer, Oboist)

J.S. Bach lässt grüßen

Albrecht Mayer hat diese Bearbeitung sehr beeindruckt – so sehr, dass er dieses Konzert mit den Verzierungen Johann Sebastian Bachs spielt. Wer das Werk kennt, dürfte das als ungewohnt empfinden. Doch wer weiß, ob nicht auch Alessandro Marcello schon an ähnliche Umspielungen gedacht hat, als er das Konzert komponierte: Diese doch recht geradlinige Melodieführung, die wir heute in den Noten sehen - war sie vielleicht nur eine Art "Richtschnur" für den Virtuosen, nach der dieser sich entfalten konnte? Immerhin haben wir ein typisches Barock-Konzert vor uns.

Oboenkonzert als bekanntestes Werk

Der Oboist Albrecht Mayer | Bildquelle: picture-alliance/dpa Oboist Albrecht Mayer | Bildquelle: picture-alliance/dpa Das Oboenkonzert in d-Moll ist das bekannteste Werk von Alessandro Marcello. Er lebte zur gleichen Zeit wie Johann Sebastian Bach – doch begegnet ist er ihm nie. In Venedig kam er als Kind einer wohlhabenden Patrizierfamilie zur Welt. Ganz wie es in seiner Familie üblich war, studierten er und sein jüngerer Bruder Benedetto Jura, beide bekleideten politische Ämter im Stadtstaat Venedig. Doch sie liebten auch die schönen Künste: Alessandro studierte in Padua Mathematik und Philosophie. Und er ließ sich nebenbei noch in Malerei, Dichtung und Komposition ausbilden – ein echter Universalgelehrter.
Sein Oboenkonzert wirkt schlicht – eher abgeklärt als virtuos. Vielleicht ist es deswegen immer noch eines der Konzerte, die ein Oboist am Anfang seiner Ausbildung spielen muss. Doch Albrecht Mayer hat genau das immer gewundert. Denn besonders für den ganz getragenen zweiten Satz braucht man technische Souveränität. 

"Der langsame Satz ist wirklich eine überirdisch schöne lange Melodie. Und da weiß man schon, dass es ohne eine Zirkuläratmung nahezu unmöglich ist, das wirklich vernünftig zu spielen. Das bedeutet, dass man während des Blasens ein- und ausatmen kann. Und mit den Verzierungen von Johann Sebastian Bach ist es natürlich noch mal geadelter." (Albrecht Mayer)

Marcello, ein ernsthafter Dilettant

Solche Musik schreibt kein Staatsmann, der nur nebenbei ein bisschen zum Zeitvertreib komponiert. Ein "Dilettant" war Marcello, aber ein sehr ernsthafter. Er kannte die deutsche und französische Musik seiner Zeit und sammelte Instrumente, die heute noch in Rom zu besichtigen sind. Viele seiner Werke wurden in Augsburg gedruckt – damals eine bedeutende Verlagsstadt. Marcello war Mitglied der literarischen Vereinigung "Accademia dell’Arcadia" und veröffentlichte seine Werke unter dem Pseudonym Eterio Stinfalico. Sein Oboenkonzert verwandelte Johann Sebastian Bach – jenseits der Alpen – in ein Cembalokonzert.

"Nichts ist Zufall in der Musikgeschichte. Bach war ja im Gegensatz zu vielen (...) immer in seinen 200 qm Heimat behaftet und hat sich eben die Partituren, die ihn interessiert haben, kommen lassen, (...) er hat sich die Inspiration von außen schicken lassen (...)." (Albrecht Mayer)

Konzert lange dem Bruder zugeschrieben

Von Alessandro Marcellos Oboenkonzert entdeckte man zunächst nur die erste Fassung in c-Moll, und die wurde lange Zeit seinem Bruder zugeschrieben: Denn auch Benedetto Marcello komponierte leidenschaftlich gern. Doch inzwischen weiß man, dass dieses Konzert – wie viele andere Werke – nur von dem 13 Jahre älteren Alessandro stammen kann. Dass hier ein versierter Oboist gefragt ist, daran lässt auch das Finale keinen Zweifel

"Der letzte Satz ist ein echtes Virtuosenstück. Und das ist natürlich auch wieder ein tänzerisches Tempo und ein tänzerisches Thema. Die Erwartungen, die man an den letzten Satz hat, werden natürlich mit den Jahren des Spielens nicht weniger. Und die ersten zwanzig bis dreißig Male steigert man sich im Tempo und merkt dann, dass das Orchester da nicht ganz mithalten kann." (Albrecht Mayer)

Musik-Info

CD Albrecht Mayer – In Venedig
Albrecht Mayer, Oboe
New Seasons Barock Ensemble

DECCA 478 1024

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