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Kostprobe | 09.10.2022 Es ruft das Posthorn!

Das Signal des Posthorns war den barocken Zeitgenossen so vertraut wie uns heute unser Handy-Klingelton. Viele Komponisten haben es in ihre Werke eingearbeitet und das Ensemble Artifices hat diese Stücke aufbereitet.

CD-Cover: Es ruft das Posthorn! | Bildquelle: © Seulétoile

Bildquelle: © Seulétoile

Es sieht fast aus wie eine Packung Schokolade, edle Schokolade. Eingepackt in schwarzen Karton mit goldenem Aufdruck, zweimal so groß wie eine übliche CD. Die Leckereien, die beim Auspacken dann zu Tage kommen sind allerdings nicht zum Essen, sondern zum Hören und zum Anfassen. Neben der CD mit 22 Tracks mit Stücken von mehr und weniger bekannten Barockkomponisten ist ein ganzes Paket an Materialien dabei. 

Wer die bunt bedruckten und liebevoll gestalteten Kartons vor sich ausbreitet, hat ein kleines Taschen-Museum vor sich, Thema: das Posthorn. Eine Karte mit dem historischen Wegenetz der Reichspost im 18. Jahrhundert z.B., das Konterfei von Karl Anselm von Thurn und Taxis, der nicht nur oberster Postbeamter seiner Majestät des Kaisers sondern auch Musikliebhaber war, Noten aus einem zeitgenössischen Druck von Michel Corrette mit dem Titel "Le Courier" überschrieben und und und. Auf der Rückseite finden sich kleine erklärende Texte, wie Sie bei Ausstellungsstücken im Museum zu finden sind. Hier erfährt die interessierte Leserin etwa, dass die Oktave das Signal des historischen Posthorns war und sich in vielen Kompositionen der damaligen Zeit widerfindet.

Vivaldi, Telemann und Bach sind vertreten. Der bereits genannte Monsieur Corrette oder auch Johann Samuel Endler, der dem Postillon bzw seinem Sonderfall dem sogenannten Raritätenmann eine kleine Kantate gewidmet hat. Auf dem zugehörigen Kärtlein lässt sich dazu lesen: Der Raritätenmann ist eine Person, die dem Publikum Raritäten vorstellt und Neuigkeiten aus fernen Ländern mitbringt. Der Text der Kantate sowie ein passender wunderschöne colorierter Kupferstich lieferte das nächste Einlegeblatt. Für die vokalen Einlassungen hat sich das Ensemble Artifices den sonoren Bariton von Romain Bockler ins Boot geholt, der es leicht mit dem Posthorn aufnehmen kann:

Ein echter Mehrwert in Zeiten von Streaming-Diensten

Das Ensemble um die Geigerin Alice Julien-Laferrière musiziert mit großer Spielfreude und der Funke springt über. Das ist nicht zuletzt der Liebe zum Detail zu verdanken, die man der Musik anhört und die auch in den vielen Beigaben der CD steckt. Ein echter Mehrwert in Zeiten von Streaming-Diensten und zufällig zusammen gewürfelten Playlisten.

Eine ganz besondere Postkarte findet sich zwischen den farbigen Kartons dann noch, adressiert an das ausführende Ensembe. Erste Hinweise auf den Absender liefern das thüringische Postwertzeichen und die sorgfältige Handschrift: es ist der gute alte Herr Bach, der hier ein paar Zeilen durch die Jahrhunderte hindurch geschickt hat. Er schreibt vom Signal des Postillons, das heiter und gleichzeitig schwermütig klingen kann und das er in sein Capriccio BWV 992 einkomponiert hat. "Fahren Sie fort, die Leidenschaft des Postillons in die Welt hinaus zu tragen!" schreibt er. Diesen Auftrag des Herrn Bach hat das Ensemble Artifices mit ihrer neuen CD bestens erfüllt.

Es ruft das Posthorn!

Corette, Veracini, Bach, Vivaldi, Keiser, Endler, Telemann
Ensemble: Ensemble Artifices
Alice Julien-Laferrière, Geige
Romain Bockler; Bariton
Label: Seulétoile

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 9. Oktober 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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