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07. November 1949 – DDR-Nationalhymne wird uraufgeführt Staatstragende Melodie – oder "Pampe"?

Ost-Berlin, 07. November 1949: Die DDR-Hymne wird zum ersten Mal öffentlich gespielt. "Auferstanden aus Ruinen ...". Der Text stammt von Johannes R. Becher, die Musik von Hanns Eisler. Letzteres war eine nicht selbstverständliche Wahl.

Das undatierte Archivbild zeigt den deutschen Komponisten Hanns Eisler (1898 - 1962). | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Als Komponist kam Hanns Eisler nämlich eigentlich aus einer ganz anderen Ecke: Sein Handwerk hatte er bei Arnold Schönberg gelernt. Dass seine Musik meist ganz anders klang, hatte einen einfachen Grund. Eisler war Kommunist; er wollte die Massen erreichen. Schon im Berlin der 20er Jahre hatte Eisler mit Bert Brecht und dem Sänger Ernst Busch eine neue Form des Arbeiterlieds geschaffen. Musik mit eindeutiger Botschaft, mal witzig, mal aggressiv. Im Sommer 1949 kehrte Eisler aus dem amerikanischen Exil nach Berlin zurück. Nach Ost-Berlin natürlich.

Erste Probe in Chopins Geburtshaus

Der Schriftsteller Johannes R. Becher gibt während einer Einladung des "Demokratischen Kulturbundes Deutschland" am 08.12.1950 eine Pressekonferenz in Frankfurt am Main. | Bildquelle: picture-alliance/dpa / Vack Der Dicher Johannes R. Becher | Bildquelle: picture-alliance/dpa / Vack Im Oktober 1949 wurde die DDR gegründet. Der Dichter Johannes R. Becher, ihr erster Kulturminister, schrieb den Text einer Nationalhymne und zeigte ihn Eisler während einer gemeinsamen Polen-Reise. Schon am Nachmittag des gleichen Tages spielte Eisler dem Dichter-Minister seine Melodie vor – und zwar, weil sie dort zufällig gerade zu Besuch waren, im Geburtshaus Frédéric Chopins, auf einem Flügel, auf dem schon der junge Chopin einst gespielt hatte.
Vom Frieden ist in Bechers Text die Rede, aber auch davon, dass des Volkes Feind bald geschlagen wird. Was gemeint war, sagt etwas deutlicher ein anderes berühmtes Werk Hanns Eislers: das "Sputnik-Lied".

Ohne Kapitalisten geht es besser, viel besser in der Welt.
Aus dem 'Sputnik-Lied'

Eisler – im Westen geschmäht

In der jungen Bundesrepublik verschwanden Eislers Werke für zwei Jahrzehnte von den Konzertprogrammen. Die West-Zeitungen schmähten die Ost-Hymne als "Spalter"- oder gar als "Gullyrutscher-Hymne", von "Eisler-Pampe" war die Rede. Mehr noch: Plagiatsvorwürfe wurden laut. Eisler habe den Beginn der Hymne bei dem UFA-Schlager "Goodbye Johnny" geklaut, den Peter Kreuder 1938 komponiert hatte.

Der Text – abgesetzt und wiederauferstanden

Es kam zu Gerichtsprozessen, die aber zu keinem Urteil führten. Schließlich kommen die umstrittenen acht Töne auch schon bei Beethoven vor. Zu Beginn der 70er-Jahre kam Eislers Melodie der Text abhanden – vom "einig Vaterland" sollte in der DDR nicht mehr die Rede sein. Die SED setzte fortan auf zwei Staaten und zog Bechers Text aus dem Verkehr. Doch genau jener Vers – "Deutschland einig Vaterland" – war den Ostdeutschen bestens im Gedächtnis geblieben. Er kehrte ohne Eislers Melodie zurück: als Sprechchor der demokratischen Revolution.

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Hanns Eisler - Auferstanden aus Ruinen - Johannes R. Becher | Bildquelle: Constantart (via YouTube)

Hanns Eisler - Auferstanden aus Ruinen - Johannes R. Becher

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Sendung: "Allegro" am 07. November 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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