Friedland im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz, 14. Mai 1812. Emilie Mayer wird geboren: die größte deutsche Komponistin des 19. Jahrhunderts! Doch wie wird man das in einer Zeit, in der der Philosoph Friedrich Schlegel dem Bürgertum die Parole ins Ohr setzt: "Das Weib gebiert den Menschen, der Mann das Kunstwerk"?
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Emilie Mayer hat Glück. Die Männer um sie herum fördern ihr Talent und ihr Selbstbewusstsein. Der Vater, ein wohlhabender Apotheker, der nach dem frühen Tod der Mutter fünf Kinder alleine großzieht, schickt Emilie in die Schule und zum Klavierunterricht. Ihr Lehrer, der Organist Carl Driver gibt dem Mädchen, das stets singt, auf Schritt und Tritt kleine Lieder erfindet, die prägende Lebensweisheit mit: "Wenn Du Dir Mühe gibst, kann aus Dir was werden!" Und Carl Loewe, der der Anfang 20-Jährigen in Stettin das Komponieren beibringt, führt ihre ersten Symphonien auf.
1850 organisiert Emilie Mayer ihr erstes Konzert in Berlin. In der Vossischen Zeitung steht: "Ein solches Konzertprogramm, ganz von weiblicher Hand ins Leben gerufen, ist nach unserer Erfahrung und Kenntnis bis jetzt ein Unikum in der musikalischen Weltgeschichte".
Dass Emilie als eigenständige Komponistin wahrgenommen wird, ist spektakulär. Aber sie ist eben nicht nur sehr begabt, sie ist auch sehr geschäftstüchtig. Sie schaltet selbst Anzeigen. Und nicht irgendwer soll ihre Symphonien spielen, sondern das neu gegründete Orchester Euterpe – am prominentesten Platz der Stadt: im königlichen Schauspielhaus. Für das nötige monarchische Wohlwollen hat Emilie gesorgt. Ihr Hobby ist, aus Weißbrot kleine kunstvolle Skulpturen zu formen. Eine Brotschale im pompejanischen Stil schickt sie – eine Art Werbegag – an Königin Elisabeth von Preußen. Die ist begeistert: Emilie bekommt eine Goldmedaille – und das grüne Licht für ihr Konzert.
Anders als Fanny Hensel oder Clara Schumann schafft Emilie Mayer, sich außerhalb der Salons im Konzertsaal zu behaupten. Sie komponiert acht Symphonien, 15 Ouvertüren, etliche Streichquartette. Ihr wohl berühmtestes Werk: die Ouvertüre zu Goethes "Faust". Es erobert die deutschen Konzertsäle, wird in Prag und Wien aufgeführt.
Als Emilie Mayer mit 71 Jahren in Berlin an einer Lungenentzündung stirbt, hat sie ihr Lebensziel erreicht. Warum die berühmteste deutsche Komponistin des 19. Jahrhunderts später in Vergessenheit gerät? Das liegt an der so lange weiterhin von Männern dominierten Musikwelt. Heute kennen wir sie wieder!
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E. MAYER · „Faust-Ouvertüre“, op. 46 · Philharmonie Salzburg · Elisabeth Fuchs
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Sendung: "Allegro" am 14. Mai 2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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