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16. November 1815 – Spaun über Schuberts "Erlkönig" Entstehungsgeschichte eines Meisterwerks

Wien, 16. November 1815. Joseph von Spahn berichtet über die Entstehung von Schuberts "Erlkönig". Franz Schubert ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal 18 Jahre alt. Bereits ein Jahr zuvor hat er mit seiner Vertonung von "Gretchen am Spinnrad" einen neuen Typ von Kunstlied entwickelt, bei denen das Klavier mehr ist als nur Begleitinstrument. Seitdem ist er wie besessen von Goethes Lyrik und vertont alles, was ihm zwischen die Finger kommt.

Eine "Schubertiade" bei Joseph von Spaun. Holzstich, 1890, nach einem Gemälde von Hans Temple. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images

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(Bild: eine "Schubertiade" bei Joseph von Spaun)

Noch ist Franz Schubert jedoch nahezu unbekannt. Nur die Freunde wissen seine Kunst zu schätzen. Zu ihnen gehört auch Joseph von Spaun. Der erzählt von einem Besuch bei dem Komponisten: "An einem Nachmittag ging ich mit Mayrhofer zu Schubert. Wir fanden Schubert ganz glühend den 'Erlkönig' aus dem Buche laut lesend. Er ging mehrmals mit dem Buche auf und ab. Plötzlich setzte er sich, und in der kürzesten Zeit, so schnell man nur schreiben kann, stand die herrliche Ballade nun auf dem Papier. Wir liefen damit in den Konvikt, da bei Schubert kein Pianoforte war, und dort wurde der 'Erlkönig' gesungen und mit Begeisterung aufgenommen."

Pferdegalopp und Windstöße in Schuberts Musik

Vielleicht ist es übertrieben, den Klavierpart des "Erlkönig" als Tonmalerei zu bezeichnen, aber fern liegt es nicht, beim Hören der Ballade an den wilden Galopp eines Pferdes und aufbrausende Windstöße zu denken. Spaun berichtet weiter: "Der alte Organist Ruziczka setzte sich dann hin und spielte ihn selbst ohne Gesang in allen Teilen mit aller Teilnahme durch und war ganz gerührt über die Komposition."

Eine "schöne" Dissonanz – glücklich gelöst

Nur mit einer Stelle sind Schuberts Freunde nicht einverstanden, so Spaun: "Als einige eine mehrmals wiederkehrende Dissonanz ausstellen wollten, erklärte Ruziczka sie auf dem Klavier anklingend, wie sie hier notwendig dem Text entspreche, wie schön sie vielmehr sei und wie glücklich sie sich löse."

Schubert ist von seiner Komposition so überzeugt, dass er sie Goethe widmen möchte. Allerdings erhält er vom Dichterfürsten auf sein Anliegen nie eine Antwort.

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Der Erlkönig - Franz Schubert [Dietrich Fischer-Dieskau] | Bildquelle: GedichteLernen (via YouTube)

Der Erlkönig - Franz Schubert [Dietrich Fischer-Dieskau]

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Sendung: "Leporello" am 16. November 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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