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Ludwig van Beethoven Klaviersonate op. 106 "Hammerklavier"

Obwohl Beethoven von seiner Klaviersonate op. 101 an die übliche Bezeichnung "Pianoforte" durch das deutsche Wort "Hammerklavier" zu ersetzen versuchte, hat die Welt nach einem stillschweigenden Übereinkommen nur das Opus 106 mit dem Spitznamen "Hammerklaviersonate" vesehen. Das Stück ist nicht nur eine der längsten Sonaten der Musikgeschichte, sondern gehört zu den technisch schwierigsten und für Interpreten wie Zuhörer gleichermaßen zu den geistig anspruchvollsten Klavierwerken. BR-KLASSIK stellt es gemeinsam mit der 2019 viel zu früh verstorbenen Pianistin Dina Ugorskaja vor.

Porträt Ludwig van Beethoven | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Sendung zum Anhören

"Ich habe diese Sonate schon als Kind sehr gerne gehör: Mein Vater hat sie geübt, ich habe mitgehört und wusste gleich: Ich möchte das irgendwann selber spielen. Denn diese Energie, dieser Rhythmus, diese Spannung und diese Schönheit, die haben mich immer gepackt und sehr fasziniert." Die Pianistin Dina Ugorskaja über ihre Annährung an Beethovens "Hammerklaviersonate". Ein Werk, über das Beethoven selbst sagte: "Jetzt schreibe ich eine Sonate, welche meine größte sein soll. Die wird den Pianisten zu schaffen machen, dass sie sie erst in fünfzig Jahren spielen werden."

Resultat einer Lebenskrise

Als Beethoven die Sonate in den Jahren 1817 bis 1818 komponierte, befand er sich mitten in einer Lebenskrise. Er stand im Streit um die Vormundschaft seines Neffen Karl und hatte finanzielle Probleme. Außerdem war er ab März 1818 völlig taub. Keine Hoffnung auf Heilung. Dina Ugorskaja sagt dazu: "Das verblüfft mich immer wieder, sowohl bei der Sonate, als auch bei den noch späteren Quartetten. Es ist unvorstellbar, dass man so ein inneres Gehör haben kann." Beethovens "Hammerklavier-Sonate" war zur Zeit ihrer Uraufführung das radikalste und neuartigste Werk des Sonatenzyklus'. Hier geht Beethoven an die Grenze dessen, was dem Klavier an Ausdrucksformen abverlangt werden kann. Trotz der riesigen Dimension der Sonate kommt es im op.106 zu einer einzigartigen Konzentration und Variierung des musikalischen Materials. Dabei entsteht das Werk nur aus einem einzigen Intervall – einer Terz. Dina Ugorskaja: "Diese Terz  spielt eine tragende Rolle durch das ganze Werk. Damit fängt das Stück an und wird in allen Themen  in allen Sätzen als wichtigster Baustein genommen. Das ist das, was das ganze Stück zusammen hält."

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Kompaktes, intensives Scherzo

Dina Ugorskaja | Bildquelle: Marion Koell/CAvi-music Die Pianistin Dina Ugorskaja | Bildquelle: Marion Koell/CAvi-music Den Beginn der Sonate markiert eine Reihe kraftvoller, klar rhythmisierter Fortissimo-Akkorde, die sogleich, um eine Terz nach oben versetzt, wiederholt wird. In der Fortsetzung des Themas tritt erneut die Terz hervor, und auch für die folgenden Sätze hat dieses Intervall konstruktive Bedeutung. Das rasante Scherzo entfaltet die Terz in allen möglichen Variationen, wechselnd zwischen Dur und Moll. Dina Ugorskaja empfindet dieses Scherzo als "sehr geballt". Es ist kurz, kaum drei Minuten, aber "sehr intensiv, der Rhythmus ist sehr schnell und sehr fordernd. Der Mittelteil klingt dann sehr gespenstig – er hat etwas Verhextes, Schwarzes, Negatives."

Das Adagio – ein "Mausoleum des Kollektivleids"

Der Kontrast zwischen spritzigem Scherzo und dem folgenden tiefgründigen Adagio sostenuto könnte nicht größer sein. Mit circa 20 Minuten Spieldauer ist dieses Asdagio einer der längsten Sätze, den Beethoven je komponiert hat, und in seiner Ausdrucksintensität einer der stärksten. In dieser Musik, die der Musikschriftsteller Wilhelm von Lenz treffend ein "Mausoleum des Kollektivleids" nannte, erreicht die Sonate ihren Schwerpunkt. Wut, Klage und Trost – die Gefühlspalette ist im Adagio sehr reich.

Man kann diese Musik nicht spielen, wenn man  nicht jeden Ton liebt und tief empfindet.
Dina Ugoskaja zum Adagio aus Beethovens Hammerklavier-Sonate

Ein schwerer Prüfstein

Franz Liszt | Bildquelle: picture-alliance/dpa Komponist und Pianist Franz Liszt (1811 - 1886) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mit einer halsbrecherischen Fuge geht die größte aller Beethoven-Sonaten zu Ende. Der Komponist sollte mit seiner Prophezeiung Recht behalten. Es dauerte lange und bedurfte solch herausragender Pianisten wie Clara Schumann, Franz Liszt und insbesondere Hans von Bülow, der zwecks besserem Verständnis der Sonate diese gleich zwei Mal hintereinander bei seinen Konzerten zu spielen pflegte, bis sie Einzug in den Konzertsaal halten konnte. Doch auch wenn mittlerweile die Berührungsängste verschwunden sind, erklingt die "Hammerklaviersonate" in heutigen Konzerten immer noch zu selten. Das Werk bleibt nach wie vor einer der schwersten Prüfsteine für jeden Pianisten. Dina Ugorskaja fasst die Herausforderungen dieses Werks an ihre Kolleginnen und Kollegen folgendermaßen zusammen: "Erstens ist es natürlich die Länge: Es ist in der Tat Beethovens längste Sonate, sie dauert je nach der Interpretation zwischen 45 und 50 Minuten. Dann muss das Stück geistig beherrscht werden. Selbst Hans v. Bülow hat gesagt, dass er erst nach 25 Jahren, die er sich dem Stück gewidmet hatte, das Gefühl bekam, jetzt könne er das Stück spielen. Was soll man dann selbst dazu sagen? Man hat das Gefühl: Die Hammerklaviersonate ist ein Mount Everest und  man versucht einfach immer wieder dahinzukommen, auf diese Spitze."

Musik-Info

Ludwig van Beethoven:
Klaviersonate Nr. 29 B-Dur, op. 106 ("Hammerklaviersonate")


Dina Ugorskaja (Klavier)
Label: CAvi-Music (Harmonia Mundi)

Sendung: "Das starke Stück" am 12. Dezember 2023 ab 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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