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Franz Schubert Impromptus für Klavier op. 142 D 935

1827 darf als Schuberts Kreativ-Jahr bezeichnet werden. Die "Winterreise" entsteht, die beiden Klaviertrios in B-Dur und Es-Dur, die C-Dur-Fantasie für Violine und Klavier. Und: die beiden Impromptu-Serien für Klavier. Über die zweite der beiden hat Barbara Doll mit dem Pianisten William Youn gesprochen.

Franz Schubert | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das starke Stück

Schubert - 4 Impromptus für Klavier op. 142 D 935

"Also, Schubert-Musik erinnert mich immer an eine Reise. Schubert hat sich ja selbst gesehen als einen Wanderer und das erste Impromptu fängt an mit einem Gefühl, dass man eine Reise anfängt – und es gibt keine richtige Pause, eine Unterbrechung in der Musik; das entwickelt sich immer alleine weiter und weiter." Das Stück, das der Pianist William Youn hier als "Reise" beschreibt, das erste der vier Impromptus op. 142, hat Franz Schubert im Winter 1827 geschrieben. Ein Jahr bevor er selbst seine letzte Reise antreten sollte. Ein Jahr vor seinem Tod.

"Er war sehr krank", erklärt William Youn. "Ich habe das Gefühl, er hat ja so wahnsinnig viele Stücke geschrieben in diesen letzten Jahren. Und das sind ja die tollsten, schönsten Stücke. Das ist so ein bisschen wie ein Schwanengesang - vielleicht wusste er, dass er nicht mehr leben kann und das Einzige, was ihn am Leben gehalten hat, war vielleicht Komponieren?"

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Häufige Wohnungswechsel

In seinem kurzen Leben ist Schubert unzählige Male innerhalb Wiens umgezogen: Weg aus dem Elternhaus, zu seinem Freund Schober, in eine eigene Wohnung, wieder zurück zum Vater, zu seinen Freunden Huber und Schwind. Als er die vier Impromptus schrieb, lebte er wieder bei Schober, im Haus "Zum blauen Igel“ in der Inneren Stadt. Vielleicht spiegelt sich diese Rastlosigkeit auch in Schuberts Musik.

Wechselvoll wie das Leben

William Youn | Bildquelle: Irène Zandel Liebt Schubert: William Youn | Bildquelle: Irène Zandel Wie eine Suche nach Frieden und Einsamkeit klingt das erste Impromptu. Es ist so fein und zerbrechlich wie das Glück. Und so wechselvoll wie das Leben. Mit der strengen Funktionsharmonik der Wiener Klassik ließ sich diese Gefühlswelt nicht mehr fassen. Schubert springt von f-Moll nach As-Dur über as-Moll hin zu F-Dur: ständige harmonische Wechsel, ein unendlicher melodischer Strom. "Impromptu“ - das ist eine Art Lyrik fürs Klavier. Musik, die ganz aus dem Affekt heraus komponiert ist, aus einem Moment der Inspiration. Ohne viel Planung und satztechnische Anlage. Was zählt, sind Farben, Stimmungen, melodische Einfälle.

Wirklich "Impromptus"?

Schubert soll die Bezeichnung "Impromptus" eigenhändig auf das Manuskriptheft geschrieben haben. Aber hat er die vier Stücke wirklich als Einzelwerke konzipiert? Der Erste, der daran öffentlich Zweifel anmeldete, war Robert Schumann. Er schrieb 1838 in der "Neuen Zeitschrift für Musik": "Doch glaube ich kaum, dass Schubert diese Sätze wirklich Impromptus überschrieben hat; der erste ist so offenbar der erste Satz einer Sonate, so vollkommen ausgeführt und abgeschlossen, dass gar kein Zweifel aufkommen kann. Das zweite Impromptu halte ich für den zweiten Satz derselben Sonate; in Tonart und Charakter schließt es sich dem ersten knapp an." William Youn meint dazu: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass er diese Stücke als Sonate schon geplant und der Verleger hat gesagt, er soll das einzeln veröffentlichen, damit er mehr Geld verdient - und ich glaube, das ist auch eine Wahrheit."

Vier Stücke in einem Bogen

Aber egal, ob Sonate oder Impromptus: Das Wichtigste, sagt William Youn, ist die musikalische Einheit. Der Pianist muss die extrem unterschiedlichen Charaktere der vier Stücke in einen Bogen spannen. Das dritte Impromptu etwa beginnt ruhig und kantabel mit dem berühmten "Rosamunde“-Thema und verwandelt sich in der dritten Variation in eine schwere, düstere Moll-Stimmung. In das letzte Impromptu, sagt William Youn, habe Schubert schließlich Himmel und Hölle gepackt: "Es ist so wie ein Achterbahn fahren, man wird wahnsinnig. Hier ist alles As-Dur, dann kommt plötzlich as-Moll in Forte und dann A-Dur. Und mal mit Akzent, ohne Akzent sforzando in Bass. Es ist so genial! Am Ende kommt piu presto, und am Ende diese acht Takte. Es ist eine reine f-Moll-Tonleiter nach unten und dann kommt die tiefe F. Jedes Mal, wenn ich das spiele, hab ich das Gefühl: Das ist das Ende, das ist der Tod. Das ist genau richtig, wie es endet - und wie diese ganze Reise mit diesem tiefen F endet. So wie ein Punkt in einem langen Roman. Es ist so fantastisch."

Musik-Info

Franz Schubert: Vier Impromptus für Klavier op. 142 D 935

William Youn (Klavier)
CD "Franz Schubert"
Ars Production

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