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Leo Borchard wird erschossen Ein Wachsoldat als Todesbote

Berlin, 23. August 1945. Leo Borchard, Interimschef der Berliner Philharmoniker, wird von einer Militärstreife versehentlich erschossen, weil sein Chauffeur den Wachposten übersah.

 Interimschef der Berliner Philharmoniker, Leo Borchard 1939 | Bildquelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand  P.C.-Archiv Hamburg

Bildquelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand P.C.-Archiv Hamburg

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Der Vorfall ereignete sich gegen 23.00 Uhr. Leo Borchard, amtierender Chef der Berliner Philharmoniker, war einer Essenseinladung gefolgt und hatte den Abend bei einem britischen Oberst verbracht. Kurz vor Beginn der Ausgangssperre wurde die Tafel aufgehoben, ein Wagen des Offiziers sollte den Gast nach Hause bringen. Beim Überqueren der Grenze zum amerikanischen Sektor übersah der Chauffeur einen Kontrollposten. Ein Wachsoldat feuerte einen Schuss ab. Die Kugel traf Borchard in den Kopf und tötete ihn auf der Stelle.

Zupackender Organisator und grundsolider Dirigent

Zum Zeitpunkt seines tragischen Todes war Leo Borchard seit drei Monaten Leiter des berühmten Orchesters. Bereits wenige Tage nach der Kapitulation hatten die Alliierten dem ehemaligen Assistenten von Otto Klemperer die Aufgabe übertragen, die Philharmoniker im kriegszerstörten Berlin zu reorganisieren. Borchard schien der richtige Mann für einen Neuanfang. Der 46-Jährige galt sowohl als zupackender Organisator, als auch als grundsolider Dirigent. Und noch ein weiteres Argument sprach für ihn: Im Gegensatz zu seinem charismatischen Vorgänger Wilhelm Furtwängler, den die Nazis als Vorzeigekünstler missbraucht hatten, war Borchard als aktiver Widerständler politisch unbelastet. Borchard war ein fähiger Musiker, aber hätte er das Format gehabt, die einzigartige Erfolgsgeschichte des Orchesters als Taktstockmagier weiterzuführen?

Celibidache übernimmt

Die Trauerfeier für den Erschossenen fand am 28. August statt. Am nächsten Abend trat zum ersten Mal ein junger Rumäne vor die Berliner Philharmoniker, der in der Folgezeit die Geschicke des Klangkörpers übernehmen und einer der unkonventionellsten Dirigentenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts werden sollte: Sergiu Celibidache.

Leo Borchard dirigiert die "Fledermaus"-Ouvertüre

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Leo Borchard conducts J. Strauss II --RARE-- | Bildquelle: Kna11111 (via YouTube)

Leo Borchard conducts J. Strauss II --RARE--

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Sendung: "Allegro" am 23. August 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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