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Was heute geschah – 26. Juni 1996 Stockhausens Helikopter-Streichquartett wird uraufgeführt

Amsterdam, 26. Juni 1996. Über der niederländischen Hauptstadt kreisen vier Hubschrauber der Luftwaffe. Stau, Noteinsatz, Terroranschlag? Nein, diesmal gibt es andere Gründe: Die Flugobjekte und ihre Piloten sind Teil einer spektakulären Komposition von Karlheinz Stockhausen und: "Das Ergebnis eines Traums! Ich habe mein Leben lang davon geträumt, dass ich fliegen kann und fühle, wie das ist. Das ist ein Urtraum, dass Musik fliegt, weil ich fliege." Also sprach Stockhausen.

Karlheinz Stockhausen | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Sendung zum Anhören

Schon immer hat sich der Komponist gegen klassische Formen und Formationen gesträubt. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, eine Sonate, ein Streichquartett zu schreiben. Neue Räume, neue Sprachen, neue Klänge will er entdecken, "Ungehörtes" schaffen, "Unerhörtes" in Szene setzen!

Modernes Spielzeug zu Weihnachten?

Vor wenigen Minuten noch hat ein Moderator die Musiker des Arditti-Streichquartetts vorgestellt. Jetzt sitzt jeder der vier Spieler in einem der Hubschrauber und tremoliert ohne den gewohnten Augenkontakt zu den Mitspielern. Aber man hört sich. Nur das Publikum kann das gesamte Geschehen am Himmel über vier Kameras im Saal mitverfolgen, während Stockhausen am Mischpult Instrumentalklang, gesprochene Elemente und die Klänge der Rotorblätter koordiniert. "Es ist ein bisschen so, wie wenn man ein modernes Spielzeug zu Weihnachten kriegt und man weiß nicht, ob es funktioniert", so der Komponist.

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Helikopter-Streichquartett (Helicopter Quartet) - Karlheinz Stockhausen | Bildquelle: thencaesarfalls (via YouTube)

Helikopter-Streichquartett (Helicopter Quartet) - Karlheinz Stockhausen

Kreisen im Radius

Gut 20 Minuten kreisen die Hubschrauber in einem Radius von sechs Kilometern um den Konzertsaal – mal höher, mal tiefer, damit immer neue akustische und optische Effekte entstehen. Dann dürfen die Musiker wieder auf gewohntes Terrain, kehren unter dem zunehmend leiser werdenden Geräusch der Rotorblätter mit ihren Piloten in den Saal zurück und stellen sich den Fragen von Moderator und Publikum.

Süppchen? Wassergeister!

An Diskussionsstoff mangelt es ohnehin nicht bei diesem Komponisten, der seine Luftkomposition aus Streichquartett und Fluglärm auch in seinen gigantischen siebentägigen Opernzyklus "Licht" integrieren wird. Man reibt sich schon lange an ihm. Stockhausen koche zum Sausen der Propeller ein mageres Tremolosüppchen heißt es gar. Doch der Komponist lässt sich nicht verunsichern. Bloß keine Musiker hinter Notenpulten, die einen Dirigenten anstarren! Und zum Thema Süppchen hat er eh eine eigene Meinung: "Jedes Wasser, das gekocht wird, ist ja nichts anderes als eine Befreiung von Geistern, die vorher im Wasser gebannt waren."

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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