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Jacques Offenbach

Der Orpheus vom Rhein

Das Leben des Jacques Offenbach (11) Der Frauenliebhaber

La belle Hélène hat ein Problem. Sie ist verheiratet mit Menelaus. Versprochen aber ist sie dem Paris. Und zwar ausgerechnet von jener Göttin, deren Hilfe sie erbittet: Venus. Helena kämpft tapfer gegen deren Geheiß an, aber der Fall ist unausweichlich.

Jacques Offenbach und die Frauen | Bildquelle: BR/Alex Naumann

Bildquelle: BR/Alex Naumann

"Avec vaillance, moi, je lutte
Je lutte et ça ne sert à rien ...
Car Olympe veut ma chute
Un jouir ou l'autre il faudra bien ...
Dis-moi, Vénus, quel plaisir trouve tu
À faire ainsi cascader ma vertu?

Diese "Invocation de Vénus" ist 1864 ein Skandal. Erst wenige Jahre zuvor war Flauberts Roman über die Ehebrecherin Madame Bovary verboten worden. Und jetzt das! Offenbachs Frauen setzen sich über moralische Grenzen hinweg und kommen auch noch ungeschoren davon - die Ehebrecherin und künftige Bacchantin Euridyke in der Unterwelt ebenso wie die demimondäne Metella im Pariser Leben oder die kapriziöse Großherzogin in Gerolstein. Alle diese Frauenfiguren bekommen ihren Willen, auch gegen ihren Willen. Sie changieren zwischen Sehnsucht und Frivolität. Und ausgerechnet für sie hat Offenbach Zwischentöne gefunden, die zu seiner Zeit unerhört waren. Das trägt ihm gelegentlich auch die Bewunderung seiner Darstellerinnen ein, so dass er sich trotz seiner harmonischen Ehe durchaus selbst bisweilen in der Rolle des Paris wiederfindet.

Affären werden ihm angedichtet

Doch außer seiner zwölfjährigen Liaison mit Zelma Bouffar, der ersten Gabrielle in Pariser Leben, sind ihm keine anderen Affären nachweisbar. Zeitlebens werden sie ihm angedichtet. Vor allem wird darüber spekuliert, ob er den Apfel auch seiner bevorzugten Diva Hortense Schneider gereicht hat. Als Schöne Helena verkörperte sie das Ideal ihrer Epoche. "Paris verlor den Verstand", klagte Camille Saint-Saëns, "die respektabelsten Damen suchten einander auszustechen, indem sie 'Amour divin, ardente flamme' trällerten". Und "La Snédèr", wie sie genannt wurde, war nicht nur auf der Bühne ein Ereignis. Als sie bei der Pariser Weltausstellung von 1867 als Großherzogin von Gerolstein Hof hielt, huldigten ihr Europas Potentaten in Galauniform. Ihr Lächeln lasse, wie Offenbachs Librettist Henry Meilhac meinte, "alles offen, wenn es 'Ja' meint; und selbst wenn es wie 'Nein' klingt, lässt es hoffen." Sie verkörperte die mondäne Pariserin, wie sie bald für die ganze Welt zum Objekt der Begierde wurde – und in keiner Rolle so vollendet wie als "Hélène la Blonde". Egon Friedell beschrieb das Phänomen in seiner Kulturgeschichte der Neuzeit: "Im Rokoko war es bon ton, sich als Schäferin zu gerieren, im Zeitalter des Cancans und der Schönen Helena wurde es chic, Halbwelt zu kopieren. Der Modetypus der grande dame, die Kokotte spielt."

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