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Heidelberger Frühling Der "aktuelle" Ligeti

"Zusammen" – so lautet das Motto des diesjährigen Festivals "Heidelberger Frühling", das mit 85 Konzerten an 25 Spielorten inzwischen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht hat. Zum ersten Mal gesellt sich der Pianist Igor Levit als zweiter künstlerischer Leiter an die Seite des Intendanten Thorsten Schmidt. Gemeinsam widmen sie sich in einem Programmschwerpunkt dem 2006 verstorbenen ungarischen Komponisten György Ligeti, denn am 28. Mai wird sich dessen Geburtstag zum 100. Mal jähren.

Komponist György Ligeti | Bildquelle: H.J. Kropp

Bildquelle: H.J. Kropp

Ein Revolutionär in Sachen Orgel

György Ligeti hat gleich mehrere musikalische Gattungen revolutioniert. Das wird im Rahmen zweier Festivalkonzerte geradezu beispielhaft vorgeführt. Der Organist Markus Uhl ist ein Enkelschüler des Komponisten – sein Lehrer Zsigmond Szathmáry hat bei György Ligeti studiert. Er spielt bei diesem Festival das Werk, mit dem Ligeti einen völlig neuen Weg in Sachen Orgel beschritten hat: "Volumina", wörtlich übersetzt "Lautstärken". Da sind Cluster zu hören, geballte Schichten von Klängen, teilweise erzeugt mit dem Oberarm des Organisten auf dem Manual, da wird die Windzufuhr sporadisch unterbrochen, was einen absolut speziellen Klang ergibt. Man erlebt das Instrument Orgel, wie man es eigentlich bis heute kaum erleben kann. Das Publikum in der – übrigens bis auf den letzten Platz besetzten – Heidelberger Jesuitenkirche ist entsprechend fasziniert und spendet minutenlangen Applaus für Markus Uhl.

Der Heidelberger Frühling

Vom 17. März bis zum 15. April bietet das Musikfestival "Heidelberger Frühling" in diesem Jahr 85 Konzerte verteilt auf 25 Spielstätten in ganz Heidelberg. Unter dem Motto "Zusammen" wird es dabei erstmals von Igor Levit und Thorsten Schmidt gemeinsam geleitet. Eine Übersicht über das Programm und Informationen zum Kartenverkauf finden Sie hier.

Drei Solokonzerte auf einen Streich

Komponist Peter Eötvös  | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Dirigent Péter Eötvös hat viel mit Ligeti gemeinsam. So verwundert es nicht, dass er Ligetis Oeuvre durchdrungen hat wie kaum einer. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Alle drei Solokonzerte Ligetis – das Violinkonzert, das Cellokonzert und das Klavierkonzert – erlebt man selten innerhalb eines Abends. "Klangforum Wien", das renommierteste Ensemble für Neue Musik in Österreich, aber spielt sie gemeinsam in der Aula der Neuen Universität. Am Pult steht mit Péter Eötvös eine "lebende Legende" der Neuen Musik, der selbst auch komponiert. Eötvös stammt wie Ligeti aus Siebenbürgen, also dem heutigen Rumänien, und geht wie dieser zunächst ans Liszt-Konservatorium nach Budapest. Nach der Niederschlagung des Aufstands von 1956 verlassen beide Komponisten, der ältere Ligeti und der etwa 20 Jahre jüngere Eötvös, Ungarn und machen ihren Weg in Westeuropa. Beide waren eng miteinander verbunden. Es gibt wohl niemanden, der das Oeuvre Ligetis für Orchester so durchdrungen hat wie Péter Eötvös.

Drei Solisten aus Ungarn

Die drei Solisten des Abends, Barnabás Kelemen, László Fenyő und Zoltán Fejérvári, stammen ebenfalls aus Ungarn und sorgen für Riesenapplaus beim Publikum, denn die Soloparts in den Ligeti-Konzerten erfordern geradezu sportliche Höchstleistungen. Die drei Konzerte sind harmonisch und rhythmisch enorm komplex. Das Wechselspiel zwischen Solist und Ensemble ist unheimlich anregend – und bisweilen aufregend. Obwohl diese Werke in den 1970er und 80er Jahren komponiert wurden, klingen sie erstaunlich aktuell, als wären sie gerade komponiert worden …

Ungarisch als "musikalische Muttersprache"

Diese frappierende Aktualität der drei Ligeti-Konzerte hat mehrere Gründe. Zum einen, dass immer mal wieder Augenzwinkern und Humor durchblitzt – so zitiert er zum Beispiel im Violinkonzert ironisch verfremdet eine Arie aus Mozarts Zauberflöte – zum anderen ist sein Instrumentarium sehr originell, da kommt durchaus auch mal eine Okarina (eine kleine Gefäßflöte aus Norditalien) oder ein Metallophon (eine Art Xylophon mit Platten aus Metall) vor. Das Klangspektrum geht in jedem Fall weit über das eines herkömmlichen Kammerorchesters hinaus. Ligeti verwendet zudem Motive aus der ungarischen Volksmusik, wenn auch stark verfremdet. Deshalb dürfte der wichtigste Grund für Ligetis überraschende Aktualität folgender sein: Der Komponist war nie ein Teil der Hardcore-Avantgarde, die in den 1970er und 80er Jahren in Deutschland prägend war und die solche Einflüsse vehement abgelehnt hat. György Ligeti und auch Péter Eötvös, beide Nachfolger von Béla Bartok, haben sich schlicht geweigert, ihre Wurzeln aufzugeben, und das macht ihre Musik heute so aktuell. Oder in den Worten von Péter Eötvös: "Man ist in der ungarischen Kultur aufgewachsen und wir haben einfach diese Kultur weitergeführt. Sehr viele Elemente kommen aus der westeuropäischen Musik in unsere Musik, aber die musikalische Muttersprache ist geblieben!"

Sendung: Allegro am 5. April 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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