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Der Komponist Antonio Salieri Was zu wissen lohnt

Antonio Salieri, der Gegenspieler Mozarts, der perfide Mörder eines Musikgenies? Von wegen! Der Musikwissenschaftler und Salieri-Forscher Timo Jouko Herrmann klärt auf, wie es zu den Gerüchten kam, was Salieri als Komponist, Kapellmeister und Pädagoge in Wien geleistet hat und wie er privat drauf war.

Antonio Salieri (1750-1825) | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Kindheit in Italien

Antonio Salieri wurde 1750 im norditalienischen Legnago geboren und wuchs als achtes Kind in einer gut situierten Kaufmannsfamilie auf. Musik wurde in der Familie sehr gefördert: Der junge Salieri bekam Gesangsunterricht, spielte Violine und Cembalo. Doch dann starben seine Eltern kurz nacheinander, sodass Salieri mit 14 Jahren Vollwaise war. Vorübergehend lebte er bei seinem Bruder in Padua, dann bei einem Freund der Familie in Venedig. Dort wurde der Wiener Hofkomponist Florian Leopold Gassmann auf den begabten jungen Musiker Salieri aufmerksam und bot ihm eine Ausbildung in Wien an. "Salieri war natürlich überglücklich. Diese Begegnung hat sein Schicksal komplett gewendet. Gassmann wurde wie ein zweiter Vater für ihn", erzählt der Musikwissenschaftler und Salieri-Forscher Timo Jouko Herrmann. Mit 16 Jahren kam Salieri also in die Musikmetropole Wien und blieb dort bis zu seinem Tod 1825.

Karriere in Wien

Portrait des Komponisten Antonio Salieri, 1821. | Bildquelle: Fine Art Images/Heritage Images Antonio Salieri erlangte eines der bedeutendsten musikalischen Ämter seiner Zeit: Er wurde Kapellmeister der Kaiserlichen Hofmusikkapelle. | Bildquelle: Fine Art Images/Heritage Images Antonio Salieri machte zunächst als Kapellmeister der italienischen Oper und kaiserlicher Kammerkomponist Karriere. Mit 38 Jahren wurde er zum Kapellmeister der Kaiserlichen Hofmusikkapelle ernannt. "Das war nochmal ein riesiger Karriereschritt, denn es war einer der angesehensten Posten, den man als Musiker in Europa erreichen konnte", so Timo Jouko Herrmann. Neben der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste in der Hofkapelle war er der zentrale Ansprechpartner für alle Kapellmitglieder, wählte das Repertoire aus, kümmerte sich um die Neuanschaffung von Instrumenten, heuerte Aushilfsmusiker an und war verantwortlich für die Musik bei Krönungszeremonien.

Radiosendung über Antonio Salieri

Zum 200. Todestag widmet BR-KLASSIK dem Komponisten und Kapellmeister Antonio Salieri die Sendung "Klassik Plus". Antonia Morin spricht mit dem Musikwissenschaftler Timo Jouko Herrmann: am Freitag, 9. Mai 2025 ab 19:03 Uhr auf BR-KLASSIK (Wiederholung am 10. Mai um 14:05 Uhr).

Lehrer von Beethoven und Schubert

Berühmtes Porträt von Ludwig van Beethoven | Bildquelle: © picture alliance/CPA Media Ludwig van Beethoven nahm bei Antonio Salieri Kompositionsunterricht. | Bildquelle: © picture alliance/CPA Media Salieri war in Wien ein gefragter Pädagoge. "Salieri fühlte sich verantwortlich für seine Schülerschaft und hat sich dafür eingesetzt, dass die Aufführungen bekommen", erzählt Herrmann. Zu Salieris Schülern gehörten Ludwig van Beethoven, Johann Nepomuk Hummel, Franz Liszt, Giacomo Meyerbeer, Ignaz Moscheles, Franz Xaver Wolfgang Mozart und Franz Schubert. "Wir haben sehr viele Quellen von Salieris Schülern, die eine ganz große Verehrung für ihren Lehrer zeigen." Bei Schubert nimmt das sogar schwärmerische Züge an, als er seinem Lehrer zum 50-jährigen Künstlerjubiläum eine Jubelkantate widmet: "(…) von dir, o Gottes Ebenbild, Engel bist Du mir auf Erden; Gern möcht ich dir dankbar werden. Unser aller Großpapa, Bleibe noch recht lange da!"

Freundlich und humorvoll

"Zeitgenössische Berichte beschreiben Salieri als humorvolle, gesellige und hilfsbereite Person", sagt Herrmann. Seine große Schülerschaft unterrichtete er unentgeltlich. Kam er in einen enthusiastischen Redefluss, soll er oft Italienisch, Deutsch und Französisch miteinander vermischt haben. Akzentfreies Deutsch sprach er nie. "Salieri scherzte da wohl immer drüber und sagte, er sei ja schließlich erst 50 Jahre in Wien. Da hätte er überhaupt nicht richtig Deutsch lernen können."

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A.Salieri "Ah, lo sento..." (L'Europa riconosciuta) Diana Damrau - Scala 2004

Glückliche Ehe

Salieri heiratete 1775 Theresia Helferstorfer; die beiden hatten zusammen acht Kinder "Salieri war ein ausgesprochener Familienmensch", so der Musikwissenschaftler Herrmann. "Ich glaube, dass der frühe Verlust der Eltern und das Auseinanderreißen der Familie bei ihm ein starkes Bedürfnis nach einem familiären Nest befördert hat." Salieri wollte seine Familie um sich haben und unternahm nur wenige Reisen. Auch seine Ehe soll beneidenswert gut gewesen sein. Theresias Tod 1807 verkraftete er nur schwer.

Krankheit und Tod

Salieris Gesundheitszustand verschlechterte sich im Spätsommer 1823 rapide. Er musste mehrere Monate im Krankenhaus verbringen und wurde anschließend von seinen Töchtern Zuhause gepflegt. Am 7. Mai 1825 starb Antonio Salieri an einer Sepsis, vermutlich aufgrund einer arteriellen Verschlusskrankheit.

Biografie über Antonio Salieri

Timo Jouko Herrmann: "Antonio Salieri. Eine Biografie"

Als Waise nach Wien gekommen, erlangt Salieri eines der bedeutendsten musikalischen Ämter der damaligen Zeit. Die jahrzehntelange Präsenz seiner Werke auf den Bühnen Europas macht ihn zu einer Schlüsselfigur der Wiener Klassik.

315 Seiten, schwarzweiß bebildert
Morio Verlag, 2019
24,00 Euro

Viele erfolgreiche Opern

Szene aus Salieris "Verdrehte Welt" am Landestheater Salzburg. | Bildquelle: Tobias Witzgall / Landestheater Salzburg Szene aus Antonio Salieris "Die verdrehte Welt" am Landestheater Salzburg, 2025. | Bildquelle: Tobias Witzgall / Landestheater Salzburg Salieri hat über 40 musiktheatralische Werke komponiert. Heroisch-komische Stoffe lagen ihm besonders. Seine Debütoper "Le donne letterate" wurde 1770 uraufgeführt, seine letzte Oper "Die Neger" entstand 1804. Salieri hatte mit vielen Opern international Erfolg. Sein Singspiel "Der Rauchfangkehrer" wurde innerhalb von nur 10 Jahren über 100 mal im deutschsprachigen Raum inszeniert, wie Timo Jouko Herrmann nachweisen konnte. Salieris Opern waren teils so berühmt, dass Schriftsteller wie Heinrich Heine oder Bettina von Arnim Textzeilen daraus zitierten, weil sie sie als allgemein bekannt voraussetzen konnten. Heute werden Salieri Bühnenwerke nur noch selten aufgeführt, viele sind in Vergessenheit geraten. Anlässlich seines 200. Todestages kam Salieris Geschlechter-Satire "Il mondo alla rovescia" (Die verdrehte Welt) in Salzburg wieder auf die Bühne und feierte großen Erfolg.

Nur wenig Instrumentalmusik

Antonio Salieri legte seinen Fokus vor allem auf Vokalwerke: Opern und Singspiele, Kirchenmusik, Lieder und Kanons. Reine Instrumentalwerke komponierte er vergleichsweise wenig. Dazu gehören ein Konzert für Flöte Oboe und Orchester, zwei Klavierkonzerte, ein Orgelkonzert und einige Serenaden für Bläser. Bemerkenswert ist sein Orchesterwerk "La Follia di Spagna" von 1815. "Es ist einer der ersten Orchestervariationszyklen überhaupt in der Musikgeschichte", so Herrmann. "Eine Art klingende Instrumentationslehre. Man kann darin fast alle damals möglichen Spieltechniken und Einsatzmöglichkeiten der üblichen Instrumente studieren. Faszinierend!"

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Salieri - 26 Variationen über "La Folia di Spagna" | Reinhard Goebel | WDR Sinfonieorchester

Das Verhältnis zwischen Salieri und Mozart

Timo Jouko Herrmann | Bildquelle: Dominic Manuel Timo Jouko Herrmann entdeckte 2015 eine verschollen geglaubte Komposition von Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri. | Bildquelle: Dominic Manuel "Es gibt viele Belege über eine gute Zusammenarbeit der beiden", so der Salieri-Forscher Timo Jouko Herrmann. "Ihr Verhältnis war kollegial bis freundschaftlich." Salieri dirigierte viele Werke Mozarts. Das Freudenlied "Per la ricuperata salute di Ofelia" haben Mozart und Salieri sogar gemeinsam komponiert. Mozart berichtet in seinem letzten Brief an seine Frau Konstanze von einem gemeinsamen Besuch mit Salieri in der Zauberflöte, bei dem Salieri sich enthusiastisch über das Stück geäußert habe. Von einem guten Verhältnis zwischen Mozart und Salieri spricht auch, dass Mozarts jüngster Sohn Franz Xaver Wolfgang ein Schüler Salieris war.

Posthume Diffamierung

Daran könnte der aufkeimende Nationalismus im frühen 19. Jahrhundert Schuld haben, so der Salieri-Experte Timo Jouko Herrmann. "In der damaligen Zeit wollte man nationale Identifikationsfiguren finden, an denen man ein Einheitsgefühl festmachen konnte. Aber Salieri konnte man nicht auf einen Sockel stellen." Denn die Italiener haben ihn als Österreicher gesehen, für die Franzosen war er Deutscher und die Österreicher haben gesagt, er sei Italiener. Im Gegensatz dazu wurde Mozart geradezu schwärmerisch verklärt. "Und dann musste man sich in Österreich die Frage gefallen lassen: Warum habt ihr Mozart eigentlich nicht gefördert, als er noch gelebt hat? Da brauchte man eben einen Sündenbock."

Mozarts Requiem: Mythos und Wahrheit

Mordgedanken, Intrigen, Eifersucht, ein unheimlicher Besucher und ein Genie, das verzweifelt gegen den Tod ankomponiert — unzählige Mythen ranken sich um Mozarts Requiem. Aber was ist Dichtung und was Wahrheit? BR-KLASSIK klärt auf.

Das Gerücht vom "Giftmörder Mozarts"

Tom Hulce als Mozart und F. Murray Abraham als Salieri im Film "Amadeus" | Bildquelle: picture-alliance/dpa Fiktion statt Fakten: Antonio Salieri als Mozart-Mörder in Miloš Formans Kinofilm "Amadeus" (1984). | Bildquelle: picture-alliance/dpa Laut der frühen Mozart-Biografie von Franz Xaver Niemetschek (1798) soll Mozart kurz vor seinem Tod seiner Ehefrau Konstanze gegenüber geäußert haben, er fühle sich, als habe man ihm Gift gegeben. Daraus entwickelte sich das Gerücht, Salieri habe Mozart vergiftet; angeblich habe der alte Mann auf dem Krankenbett den Mord gestanden. Sowohl Freunde und Kollegen als auch seine Krankenpfleger dementierten die Anschuldigungen, doch vergeblich. "Das Narrativ von Salieri als Gegner Mozarts, als Giftmörder eines Musikgenies verselbständigte sich. Die historische Figur Salieri wurde durch eine literarische Kunstfigur ersetzt", so der Musikwissenschaftler Timo Jouko Herrmann. Schon in Salieris Sterbejahr erschien in Leipzig die Novelle "Der Musikfeind" von Gustav Nicolai, in der ein Kapellmeister namens "Antonio Doloroso" zugibt, der Mörder Mozarts zu sein. Großen Einfluss auf das negative Salieri-Bild hatte auch das Dramolett "Mozart und Salieri" von Alexander Puschkin, in dem Salieri Mozart aus Neid vergiftet. "In der Zeit der Romantik liebte man solche düsteren Stoffe. Da konnte man mit historischen Fakten nichts mehr machen", erklärt Herrmann. 1984 griff der Film "Amadeus" das Gerücht vom Mozart-Mörder wieder auf und verfestigte das Bild vom "bösen Salieri".

Sendung: "Zum 200. Todestag von Antonio Salieri: Im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Timo Jouko Herrmann" am 9. Mai 2025 ab 19:03 Uhr auf BR-KLASSIK (Wiederholung am 10. Mai 2025 ab 14:05 Uhr)

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