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Kritik - "Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen Der Hexenmeister Thielemann

Christian Thielemann und Bayreuth – das schien lange eine Traumkombination. Doch Katharina Wagner verlängert ihn nicht als Musikdirektor der Festspiele. Auch als Einspringer kam er jüngst nicht zum Zug. Umso heftiger feiert ihn das Festspiel-Publikum nun für seinen "Lohengrin".

Szenenbild aus "Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen | Bildquelle: Enrico Nawrath

Bildquelle: Enrico Nawrath

Kritik zum Anhören

Gerade noch sah er sich mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe sich in einer internen Mail über Kontrabassistinnen des Festspielorchesters frauenfeindlich geäußert (die Betroffenen fühlen sich jedoch offenbar von Thielemann fair behandelt, die Festspielleitung hält allerdings weitere Aufklärung für notwendig und hat Maßnahmen gegen Sexismus versprochen). Und jetzt, nach dem "Lohengrin", den er sensationell gut dirigiert hat, gibt es frenetischen Jubel, Trampeln, rhythmisches Klatschen. Und es will kein Ende nehmen. Doch nicht nur Thielemann wird gefeiert, auch die Sängerinnen und Sänger – und sogar Regisseur Yuval Sharon bekommt im Gegensatz zur Premiere keine Buhs. Doch in dieser Produktion aus dem Jahr 2018 ist ohnehin der Ausstatter wichtiger als der Regisseur: Neo Rauch, einer der meistgesuchten Maler der Gegenwart, hat das Bühnenbild gestaltet.

Mischung aus Rembrandt und Moderne

Szenenbild aus "Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen | Bildquelle: Enrico Nawrath Brautgemacht als orangeroter Hotspot | Bildquelle: Enrico Nawrath Im Trafohäuschen steigt die Temperatur. Die Hochspannungsdrähte glühen, die riesigen Isolatoren laufen heiß. In der bildgewaltigen Bühne von Neo Rauch ist das Brautgemach ein orangeroter Hotspot in einem Meer von kaltem Blau. Düstere Wolken ballen sich am riesigen Rundhorizont. Blau sind auch die Kostüme. Wobei sich die Zeiten überlagern. Das Umspannwerk erzählt von der Moderne. Die Kostüme wirken dagegen wie ein verrutschter Rembrandt: Holländer aus dem 17. Jahrhundert bevölkern das Bühnenrund, als wären sie von Delfter Kacheln gepurzelt. Fast alle tragen Insektenflügel. Vielleicht weil das Volk von Brabant seine individuelle Freiheit verloren hat und jeder in der Masse aufgeht wie ein Insekt in seinem Schwarm.

Worum geht es eigentlich beim "Lohengrin"?

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Regisseur Yuval Sharon hat ein paar Szenen nachgeschärft. Das ändert wenig an der braven Personenführung, die sich an nicht immer gut gealterten Opernklischees orientiert. Vor effektvollen Bildern sieht man spannungsloses Theater. Und hört fantastische Musik. Georg Zeppenfeld, der den König Heinrich singt, verdient einen Orden, den man erst noch erfinden muss: Er ist der Großmeister der wichtigen Nebenrollen. Sein Bass klingt schön, aber hat nichts Spektakuläres. Was Zeppenfeld zu einem so außergewöhnlich guten Wagner-Sänger macht ist nicht das Stimm-Material, wie es so schön heißt, sondern seine Gestaltungsintelligenz. Sprechen, phrasieren, erzählen und die Musik im Fluss halten – das kann er wie kaum ein Zweiter.

Klaus Florian Vogt schwebt im Tenor-Himmel

Nicht ganz so präsent, aber ebenfalls klug im Umgang mit den eigenen Möglichkeiten singt Martin Gantner den Telramund. Petra Lang als Ortrud macht ihre Sache insgesamt gut – der enorm schwierige letzte Auftritt führt sie allerdings an Grenzen. Auch Klaus Florian Vogt als Lohengrin ist am Schluss dieser mörderisch langen Partie ein wenig müde – aber das macht gar nichts. Im Piano hat er bis zuletzt eine schwindelfreie, mühelos wirkende Höhe. Vogt turnt angstfrei im Tenor-Himmel als wär's die ebene Erde.

Dabei kommt Klaus Florian Vogt nicht nur sein unverwechselbares Timbre zugute, das sich wegen seiner hellen Klangfarbe ohne Anstrengung gegen das Orchester durchsetzt, sondern gerade im Piano auch seine exzellente Beherrschung der Register: Zwischen Kopf- und Bruststimme gibt es kaum einen Bruch. Außerdem steht ihm ganz einfach die Rolle. Mit ihren meist ruhigen, sphärischen Linien passt sie viel besser zu Vogt als der nervös leidende Siegmund, den er am Montag in der "Walküre" im Festspielhaus sang. Kurz: Klaus Florian Vogt hat einen richtig guten Abend. Den hat auch seine Bühnengattin, Camilla Nylund als Elsa. Eine genuine Wagner-Stimme, die sich gegen alle Orchesterstürme behauptet, aber auch wunderbar zärtlich und verletzlich klingen kann.

Bayreuther Festspiele 2022

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Thielemann zaubert mystische Klänge

Christian Thielemann | Bildquelle: © Matthias Creutziger Christian Thielemann kennt den Orchestergraben in Bayreuth wie kaum ein anderer. | Bildquelle: © Matthias Creutziger Und er ist der Hexenmeister: Christian Thielemann ist süchtig nach dieser Musik, er will uns süchtig machen und er liefert den Stoff – zuverlässig, großzügig, lustvoll. Ist das noch das gleiche Orchester wie im "Ring"? Da klang das es in den vergangenen Tagen manchmal doch etwas stumpf und zerfasert – gerade am Klang konnte Thielemanns Kollege Cornelius Meister als Einspringer offenbar aus Zeitgründen einfach nicht genug arbeiten. Was für ein Gegensatz jetzt! Wie raffiniert ist Thielemanns Klangregie gleich zu Beginn bei den irre hohen, mystischen Streicher-Akkorden! Das glitzert wie unbetretener Neuschnee bei Vollmond. Wie sich die Musik dann mal zögernd vorantastet, dann wieder mit unwiderstehlichem Drive nach vorn stürzt, das alles aber koordiniert und dramaturgisch durchdacht und immer mit gemeinsamem Atem – das ist schon ganz große Kunst. Mit Thielemann ist es weiß Gott nicht immer einfach, aber ohne ihn wär's fad in Bayreuth.

Wagners "Lohengrin" auf BR-KLASSIK

Samstag, 24. September 2022, 19.05 Uhr
in Surround in einer Aufnahme aus dem Bayreuther Festspielhaus

Sendung: "Allegro" am 5. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Dienstag, 09.August, 17:10 Uhr

Mac

Kritiker hat keine Ahnung mit den Gesang

In diese Sinne kann jeder Wagner Partie Singen! Lohengrin kann jeder Art von tenor singen , so wie könig Heinrich , Ortrud, Telramund etr. Wenn jemand hat keine Ahnung mit den Stimmen dann bitte keine Kritik schreiben ! Wagner opera ist nicht Oratorium Order Theater! Braucht richtige Stimme dafür !

Freitag, 05.August, 20:40 Uhr

Friedrich Koestner

Thielemann...

....steht für höchste Qualität und er ist in der ganzen Welt begehrt. So eine hanebüchene und lächerliche Ringinszenierung wie die jetzige will er sicherlich nicht dirigieren. Ich denke, er wird Bayreuth verlassen...

Freitag, 05.August, 16:40 Uhr

Volkmar Heller

Kritiken

Kritiken zu Opernaufführungen heutzutage zu schreiben ist sicher kein reines Vergnügen,vor allem wenn man gezwungen ist,aus dienstlichen Gründen sich den Inszenierungsschrott a la Ring 2022 anschauen zu müssen.Sängerleistungen zu beurteilen ist sicher auch stark von Geschmacksfragen geprägt.Nicht nachvollziehbar ist es,wenn der eine dem Sänger des Mime im neuen Ring eine Glanzleistung bescheinigt,ein anderer von krasser Fehlbesetzung spricht.Ich fand,dass Bezoyen im Siegfried genau Wagners Intentionen entsprach,aber was bedeuten heute noch im RT Absicht und Genie der Autoren
Kritikerschelte schliesse ich mich nur bedingt an,es sei denn man behauptet,die Meistersinger aufzuführen wäre der Handlung wegen überflüssig.Schwachsinn,aber man wird doch mal sagen dürfen.Besser nicht !

Freitag, 05.August, 13:20 Uhr

Veronika Weber

Schade, daß dieser Lohengrin...

....im nächsten Jahr nicht mehr gespielt wird. Mit dem neuen Ring kann Bayreuth jedenfalls nicht reüssieren.

Freitag, 05.August, 10:42 Uhr

Peter Müller

Lohengrin – Kritik: Neuhoff

Guten Tag Herr Neuhoff , ich glaube im Lohengrin gibt es auch noch einen Chor.
Der scheint ziemlich viel zu singen. Aber was will man heutzutage noch vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk erwarten.

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