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Isabelle Faust über Schönbergs Violinkonzert Am Rand des Möglichen

Arnold Schönbergs Violinkonzert ist eine Herausforderung – für den Solisten, aber auch für den Zuhörer. Jascha Heifetz, der das Stück uraufführen sollte, sagte: nein, danke. Seitdem gilt Schönbergs Violinkonzert als quasi unaufführbar. Isabelle Faust jedoch sagt: ja, bitte – und präsentiert das Werk mit dem BRSO unter Daniel Harding am 10 und 11. Januar in München. Im Interview verrät sie, warum Schönberg sich besonders für Langfinger eignet.

Die Geigerin Isabelle Faust | Bildquelle: Felix Broede

Bildquelle: Felix Broede

BR-KLASSIK: Es heißt ja, für Schönbergs Violinkonzert bräuchte man eigentlich sechs Finger. Sie haben, wie ich sehe, auf jeden Fall jeweils nur fünf. Wieviel Arbeit steckt denn in diesem teuflisch schweren Werk?

Isabelle Faust: Das ist tatsächlich ein sehr komplexes Stück und es ist auch sehr verzwickt geschrieben. Das mit dem sechsten Finger ist so eine Legende, die über diesem Stück schwebt. Der würde im Grunde rein technisch gesehen nicht viel bringen – ich glaube, mit sechs Fingern würde man sich bei all diesen komischen, verkorksten Griffen nur noch mehr durcheinanderbringen. Allerdings sind lange Finger ganz gut für dieses Stück. Und auch, wie ich finde, keine zu groß gebauten Instrumente. Meine Geige hat einen relativ schlanken Körper. Das finde ich bei solchen Stücken, in denen es wirklich blitzschnell rauf und runter gehen muss, dann doch einen Vorteil.

Ich wünschte, wir könnten das Stück an einem Abend dreimal spielen!
Isabelle Faust über Schönbergs Violinkonzert

BR-KLASSIK: Das Stück ist ja relativ ungeliebt, wird nicht so oft aufgeführt. Es gilt nicht nur als schwierig zu spielen, sondern auch als schwierig anzuhören.

Isabelle Faust: Das kann ich bestätigen. Ich habe selber vom reinen Anhören auch nicht sofort den Zugang gefunden zu diesem Stück. Als ich mich überwunden hatte, es tatsächlich zu lernen und dann die Noten aufgeschlagen und angefangen habe, ein bisschen zu arbeiten, ist es sofort in mein Herz übergegangen. Ich konnte selber nicht mehr genau verstehen, wieso beim Anhören der Funke da nicht sofort übergesprungen war. Ich wünschte mir manchmal, wir könnten es an einem Abend dreimal hintereinander spielen, damit das Publikum eine Chance hat, sich erst mal ein bisschen in diese Klangsprache einzuordnen und dann zu verstehen, wie hoch romantisch und expressiv diese Musik eigentlich ist. Für den Solisten ist es tatsächlich nahezu unspielbar. Ich glaube, das war eigentlich für Heifetz gedacht. Er hat es zurück gehen lassen und meinte: "Nein, das geht nicht". Es geht wirklich an den Rand des Möglichen.

Unglücklich im Exil

BR-KLASSIK: Schönberg hat das Konzert 1936 im Exil geschrieben, also in einer für ihn auch nicht leichten Zeit. Ist das etwas, dass Sie im Hinterkopf haben, wenn sie sich mit dem Werk beschäftigen oder schieben Sie das beiseite?

Arnold Schönberg, Photographie um 1930 von Franz Xaver Setzer | Bildquelle: picture-alliance/dpa Arnold Schönberg | Bildquelle: picture-alliance/dpa Isabelle Faust: Das kennen wir ja von einigen Komponisten, dieses amerikanische Exil. Ich denke zum Beispiel an Bartók, dieses Sich-nicht-so-Zurechtfinden, das Unglücklichsein und auch das Heimweh. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie Bartók oder eben auch Schönberg im Exil voll aufblühen konnte. Es waren ja ihre letzten Jahre, da ist man ja auch nicht mehr in diesem frischen jugendlichen Aufblühen, man möchte sich nicht mehr unbedingt an komplett neue Verhältnisse gewöhnen. Ich kann mir schon gut vorstellen, wie verloren sich Schönberg dort hat fühlen müssen.

Eigensinnige Stradivari

BR-KLASSIK: Sie spielen seit mehr als 20 Jahren auf dem gleichen Instrument, auf der Stradivari "Dornröschen", die so heißt, weil sie lange verschollen war. Die hat einen sehr hellen, klaren Klang. Sagen Sie da nach mehr als 20 Jahren: Jetzt würde mich auch mal was anderes reizen, vielleicht ein Instrument mit einem ruhigeren, wärmeren Klang? Oder sind sie immer noch total zufrieden?

Isabelle Faust: Das ist eine gute Frage, die stelle ich mir auch ab und zu mal. Diese Geige hat einen wirklich sehr großen, präzisen Charakter, und den kann man auch nicht umwerfen. Das ist vielleicht auch nicht so bekannt beim Publikum, dass diese Stradivari-Geigen erstens nicht von alleine spielen und zweitens nicht unbedingt alles das machen, was man vielleicht gerade machen möchte. Das sind wirklich Instrumente – zumindest die, die ich gespielt habe –, die einen sehr starken eigenen Charakter mitbringen, und mit dem muss man sich sehr gut anfreunden. Das dauert normalerweise Jahre, bis man das so im Griff hat, bis man 'raus hat, wie man so ein Instrument vielleicht doch ab und zu mal dazu überreden kann, etwas zu tun, was nicht unbedingt in seiner Natur liegt. Aber wenn man dann über zwanzig Jahre auf so einem Instrument spielt, dann muss man zwangsläufig sein Spiel über so eine Zeitspanne daran anpassen.

Infos zum Konzert

Donnerstag, 10. Januar 2019, 20:00 Uhr
Freitag, 11. Januar 2019, 20:00 Uhr


München, Hekulessaal der Residenz

Arnold Schönberg:
Violinkonzert op. 36
Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 6 F-Dur, op. 68 "Pastorale"

Isabelle Faust (Violine)

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Daniel Harding

Live-Übertragung auf BR-KLASSIK am Freitag, 11. Januar

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