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Igor Levit über sein neues Album "Ich höre meine Aufnahmen nicht"

Es ist mal wieder soweit. Ein Album im Jahr, das hat bei Igor Levit ja fast schon Tradition. Für das neue – "Fantasia" – hat er unter anderem Liszts h-Moll-Sonate aufgenommen, ein Stück, an das er sich lange nicht ranwagte. Jetzt war für Levit der richtige Zeitpunkt da.

Igor Levit | Bildquelle: Felix Broede

Bildquelle: Felix Broede

Neues Album "Fantasia"

Interview mit Igor Levit

BR-KLASSIK: Igor Levit, Sie haben unter dem Titel "Fantasia" Musik von Bach, Liszt, Berg und Busoni zusammengestellt. Auch Liszts berühmte h-moll-Sonate ist drauf. Sie selbst haben dieses Stück als einen Keil beschrieben, der in die Erde der Klaviermusik getrieben wurde. Alles, was danach kam, muss erst mal dran vorbei. Stimmt es, dass Sie sich dem Stück lange nicht gewachsen gefühlt haben? Und woran haben Sie dann gemerkt, dass es jetzt so weit ist?

Igor Levit: Stimmt. Ich habe dieses Stück zum ersten Mal 2011 gespielt. Und dann habe ich es tatsächlich bis vergangenes Jahr liegen gelassen. Das ist eines dieser Werke für mich, die tatsächlich so eine Art von Keilmoment in der Klavierliteratur darstellen, wie zum Beispiel Beethovens Hammerklaviersonate. Es gibt ein Vor und ein Nach der h-moll-Sonate. Und die emotionale Dimension dieses Werkes ist einfach einzigartig. Und ja, ich konnte es zwar spielen vor zwölf Jahren, aber ich konnte es nicht so greifen, wie ich es wollte. Und jetzt, zwölf Jahre später, hat es sich richtig angefühlt.

... älter werden, freier werden
Igor Levit darüber, was es braucht, um die h-moll-Sonate zu spielen

BR-KLASSIK: Das heißt, das ist etwas, was Sie nicht in Worte fassen können? Dieses "hat sich richtig angefühlt"?

Igor Levit: Ich glaube, es hat viel mit der Erfahrung zu tun, die ich über die Jahre gesammelt habe, mit den 32 Beethovensonaten, auch mit dem Leben selbst ... älter werden, freier werden, selbstbewusster werden. So ein Werk braucht einfach viel, viel mehr als nur Technik. Und ich muss auch sagen: Es hat auch programmatisch nicht gepasst bis jetzt. Ich habe so viel Zeit mit Beethoven verbracht und dann kam Schostakowitsch und Bach und Ronald Stevenson ... und jetzt, wo ich an den Punkt gekommen bin, wo ich dachte, ich möchte Busonis "Fantasia contrappuntistica" und die Lisztsonate aufnehmen, kamen einfach diese Faktoren zusammen: das Selbstbewusstsein und der programmatische Moment.

Zum Album

Levits neues Album "Fantasia" erscheint am 29. September. Eine Rezension finden Sie hier.

BR-KLASSIK: Jetzt haben Sie schon gesagt, das zweite zentrale Werk auf dem Doppelalbum ist die "Fantasia contrappuntistica" von Busoni. Beide Komponisten waren ja selbst auch Klaviervirtuosen. Merkt man das den Stücken an?

Igor Levit: Beide Komponisten waren DIE Klaviervirtuosen überhaupt. Man merkt das natürlich. Und die Werke sind ungeheuer anspruchsvoll, intellektuell, emotional. Sie bringen dich wirklich an die Grenze der Belastbarkeit. Aber du merkst als Pianist, dass sie nie über die Grenze der Belastbarkeit gehen, weil sie von von jemanden geschrieben wurden, dessen Interesse ohne Zweifel daran lag, dass das andere auch spielen können. Es gibt immer wieder Momente in diesen Werken, wo ich als Pianist einfach denke: Danke, dass du das so geschrieben hast! Das Ist zwar ungeheuer schwer, aber am Ende funktioniert es. Man merkt, dass da zwei Giganten am Werk waren, die wussten, was sie tun.

Jetzt ist das Album flügge
Igor Levit

BR-KLASSIK: Sie gehen da eine richtige emotionale Bindung zu den Komponisten ein, so klingt das für mich?

Igor Levit: Oh ja. Und wenn ich an Busoni denke, dann spreche ich hier sowieso von einem Mann, der für mich sowieso eine ganz wichtige Figur ist.

BR-KLASSIK: Wenn Sie so ein Album zusammenstellen, ist es Ihnen denn wichtig, dass das auch in der Reihenfolge gehört wird, die Sie angedacht haben?

Igor Levit: Natürlich mache ich mir Gedanken über die Reihenfolge und selbstverständlich kann man so ein Album auch in dieser Reihenfolge hören. Aber ich habe dieses Album aufgenommen und jetzt ist das Album flügge, verlässt das Nest. Jetzt gehört es auch nicht mehr mir. Und ich freue mich einfach von Herzen, wenn es so viele Menschen wie möglich hören. Wie sie es hören, ist ihnen überlassen.

BR-KLASSIK: Können Sie sich gut verabschieden von so einem Album, wenn Sie es dann mal rausgebracht haben?

Igor Levit: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gut ich mich verabschieden kann. Das ist Vergangenheit. Es gehört nicht mehr mir. Und es ist jetzt da draußen in der Welt, und ich lebe im Hier und Heute.

Ich lebe im Hier und Heute
Igor Levit

BR-KLASSIK: Und wenn Sie so eine Aufnahme dann Monate später wieder hören, geht Ihnen dann auch nicht durch den Kopf: Ah, das hätte ich noch anders machen können?

Igor Levit: Ich höre meine Aufnahmen nicht. Ich spiele diese Stücke noch immer. Aber ich habe das Glück, dass ich diese Stücke im Hier und Heute habe. Ich muss die Aufnahme nicht mehr hören … aber ich verschenke sie sehr gerne (lacht)!

Sendung: "Allegro" am 29. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Samstag, 07.Oktober, 17:52 Uhr

Hörerin

Gehört ...

... und für mich tontechnisch zu viel "Sony-Weichspüler". BWV 903 verschleiert wie hinter satiniertem Glas eines Hochsicherheitslabors. Dann doch lieber ältere Aufnahmen, die direkt konfontronieren und Emotionen transportieren ... Oder mal ordentlich investieren und Levit life hören ???

Dienstag, 03.Oktober, 22:46 Uhr

Olli

Levit

Schließe mich auch an... leider wird er als sogenannter Bürger immer einseitiger und darunter leidet offensichtlich das Musikmachen! Die Zielgruppe wird immer kleiner und alles mainstreamförmig langweiliger!

Dienstag, 03.Oktober, 20:56 Uhr

a priori - no grazie!

Ich schon ...

Levits "Fantasia" werde ich - im Gegensatz zu meinen beiden Vor-Kommentatoren - ganz sicher anhören.
Der "mediale Hype" um Levit (ist doch längst verflogen ?!) oder seine bisherigen Aufnahmen sind für mich jedenfalls kein Grund, nicht mal hinzuhören, was er mir zu sagen hat ...



Sonntag, 01.Oktober, 10:46 Uhr

Professor

Zeitgeistpianist

Sehr gerne schliesse ich mich dem Vorredner an. Bei Igor Levit sprechen wir über einen mittelmässigen bis guten Pianisten, der diesen medialen Hype mit ABSOLUT nichts rechtfertigen kann.

Freitag, 29.September, 08:42 Uhr

Trappe

Ich auch nicht

„Ich höre meine Aufnahmen nicht“ - ich auch nicht (mehr). Medial aus bestimmten Gründen gepuscht wie kein anderer, bei Beethoven langweilig, in klassischen Werken aalglatt.
Technisch ist alles da, nur die große Musik stellt sich leider nicht ein.

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