Beethoven und Chopin haben Takis Würger zu seinem neuen Roman "Für Polina" inspiriert - eine musikalische Liebesgeschichte um den Protagonisten Hannes Prager. Im BR-KLASSIK-Interview spricht der Autor über die magische Kraft der Musik und ihre heilende Wirkung.
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BR-KLASSIK: Das Klavier, beziehungsweise die Musik, hat in Ihrem Roman eine gewisse magische Rolle. Wenn der Protagonist Hannes spielt, dann sind alle auf irgendeine Art und Weise verzaubert. Glauben Sie, wir Menschen das Magische und Zauberhafte heutzutage zulassen müssen?
Takis Würger: Musik hat eine große heilende Kraft. Mir persönlich hat Musik immer Trost gespendet, auf eine fast magische Art und Weise. Diese Kraft und diese Qualität kann Hannes erschaffen mit seinen Melodien. Ich glaube, gerade in Zeiten, in denen wir manchmal dazu neigen, die Hoffnung zu verlieren, können wir in Musik Hoffnung und Trost finden. In meinem Roman habe ich das durch die Musik von Hannes Prager versucht zu verdichten.
BR-KLASSIK: Worin besteht das Zauberhafte? Zauberei hat ja etwas Unnatürliches. Man weiß, dass es eigentlich nur ein Trick ist. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass die Musik darüber hinausgeht.
Takis Würger: Wenn ich ein Musikstück höre, wie den langsamen Satz aus Beethovens "Pathétique" oder eine Nocturne von Chopin, dann ist Zauberei vielleicht das falsche Wort. Magie ist das Richtige. Denn ich habe das Gefühl, das ist kein Trick, der uns da vorgeführt wird, sondern etwas, das so nachhaltig beeindruckt. Ich frage mich dann immer: Wie ist es möglich, dass jemand etwas so Schönes erschaffen kann? Über diese Form der Musik wollte ich schreiben.
Musik hat eine große heilende Kraft.
BR-KLASSIK: Sie haben jetzt den zweiten Satz aus der "Pathétique" angeführt. Gibt es Klavierstücke, die Sie noch so verzaubern und eben diese Magie auf Sie ausüben?
Takis Würger: Das Werk, das ich wohl am häufigsten gehört habe, ist Beethovens fünftes Klavierkonzert. Das beruhigt mich. Immer wenn ich sehr aufgedreht bin, ist das so ein Stück, das ich wirklich gern höre. Und auch das in dem Roman sehr wichtige erste Klavierkonzert von Chopin ist so schön und so tief und so voller Sehnsucht, dass es mich, als ich es das erste Mal gehört habe, schon gepackt und berührt hat. Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen. Und ich weiß gar nicht, wie oft ich das zum Beispiel gehört habe. Vielleicht fast ein bisschen zu oft schon.
BR-KLASSIK: Also ist es die Musik, die Sie auch zu dem Roman inspiriert hat?
Takis Würger: Musik hat mich definitiv zu diesem Roman inspiriert. Und die Großartigkeit von Liebe und der Wunsch, eine Geschichte zu schreiben über Hoffnung und Kameradschaft. Ein Freund von mir hat mal den Satz gesagt: "Wann war Musik je etwas anderes als Zauberei?" Das ist viele Jahre her und der Satz ist hängen geblieben. Als Künstler, der über Jahre immer wieder zu einem bestimmten Satz zurückkehrt, ist das irgendwann ein guter Ausgangspunkt für einen Roman. Und für mich war dieser Satz der Anfang für "Für Polina".
Wann war Musik je etwas anderes als Zauberei?
BR-KLASSIK: Sie sind ja nicht immer Schriftsteller in dieser Form gewesen. Sie waren auch Reporter. Dieser Schritt vom Reporter zum Schriftsteller verlangt einerseits Mut und andererseits Selbstdisziplin. Denn es gibt ja nicht mehr dieses Datum, wo es heißt: "Wann ist deine Story fertig?" Wie haben Sie Ihren Alltag und Ihr Leben umgestellt?
Takis Würger: Ich bin froh, dass ich nicht von Anfang an Schriftsteller war, sondern dass ich so die Disziplin einer Zeitungsredaktion und einmal erlebt habe. Ich bin mit meiner Ärztin zusammen, also bin ich immer früh wach. Dann trinke ich einen großen schwarzen Kaffee und setze mich an den Schreibtisch und fange an zu arbeiten. Ich bin nicht immer inspiriert, aber ich versuche, so inspiriert wie möglich zu sein und weiterzuschreiben. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das machen darf. Ich bin glücklicherweise jemand, der gerne schreibt. Das heißt, häufig bin ich froh, wenn ich an diesem Schreibtisch sitzen darf.
BR-KLASSIK: Nehmen Sie uns mal mit an Ihren Schreibtisch. Ist der eher klinisch rein mit so einem ordentlich geputzten iPad oder ist da die Kaffeetasse von vorgestern noch da und viele kleine Post-its?
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Takis Würger: Ich bin sehr penibel, muss ich zugeben. Ich arbeite vor allen Dingen in Leipzig in der Wohnung meiner Freundin. Die hat gar keinen Schreibtisch. Ich sitze an einem sehr einfachen Küchentisch aus Zirbenholz, der für mich ein wenig klein ist. Ich lege meinen Laptop dann immer auf ein dickes Medizinbuch, damit meine Sitzhaltung ein wenig gesünder ist. In dieser dann noch recht unbequemen Haltung schreibe ich so lange, bis mir nichts mehr einfällt. Ich habe irgendwann gemerkt, dass nicht der Blick aufs Meer oder der perfekt ergonomische oder auch schöne Schreibtisch das Wichtigste ist, sondern dass man an irgendeinem Punkt der Arbeit eine Geschichte gefunden hat, die einen selbst mitnimmt. Und wenn man die hat, dann ist der Schreibtisch egal. Dann könnte ich auch in der Bahn mit dem Laptop auf den Knien schreiben.
Häufig bin ich froh, wenn ich am Schreibtisch sitzen darf.
BR-KLASSIK: Und dann kriegen Sie auch nichts mehr mit rundherum?
Takis Würger: Wenig. Das ist dann dieser wunderbare, selten zu erreichende Zustand, den man Flow nennt. Man hat dann so ein bisschen das Gefühl, zusammen mit der Geschichte zu schweben. Diesen Zustand erreicht man nicht häufig, aber manchmal. Und auf die Momente hofft vermutlich jeder Autor.
BR-KLASSIK: Gibt es denn schon ein Musikstück, das in Ihnen brummt und surrt, was vielleicht schon eine nächste Geschichte entstehen lässt?
Takis Würger: Ich bin ja gerade auf Lesereise. Das kostet viel Kraft, so schön es auch ist. Und ich weiß nicht, wie Autoren es schaffen parallel noch schreiben zu können. Ich bewundere das sehr. Ich bin vor allen Dingen damit beschäftigt, vor den Lesungen nervös zu sein, meinen Koffer zu packen und in die nächste Stadt zu reisen. Das werde ich noch den Großteil dieses Jahres machen. Und wenn das vorbei ist, dann fange ich an, über mein nächstes Werk nachzudenken.
Als er vierzehn ist, verliebt sich Hannes Prager in das Mädchen Polina. Um ihr seine Liebe zu zeigen, komponiert der wundersam begabte Junge eine Melodie, die Polinas ganzes Sehnen und Wünschen umfasst. Doch sein Leben nimmt eine unvorhergesehene Wendung, Hannes hört auf, Klavier zu spielen und seine und Polinas Wege trennen sich. Nach Jahren, in denen er nichts als Leere fühlt, erkennt Hannes: Er muss Polina wiederfinden. Und das Einzige, womit er sie erreichen kann, ist ihre Melodie.
Das Buch ist im Diogenes Verlag erschienen.
Sendung: "Leporello" auf BR-KLASSIK am 06.05.2025 ab 16:05 Uhr
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