Postkarten aus dem Urlaub verschicken, diese Sitte stammt aus dem 19. Jahrhundert. Auch Johannes Brahms pflegte sie. Seine berühmteste Postkarte ist allerdings akustischer Natur – und hat ihren Platz in der Musikgeschichte gefunden.
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Sommerferien 1868. Johannes Brahms ist in der Schweiz, im Berner Oberland. Aus der Ferne, von den Hängen des Stockhorns hört er ein Alphorn.
Einst dienten diese eigentümlichen Töne den Hirten, um die Kühe von der Weide zum Stall zu rufen. Oder zur Kommunikation von Berg zu Berg. Mittlerweile soll das Alphorn – als typisches Schweizer Musikinstrument – die Herzen der Touristen höherschlagen lassen.
Wo große Komponisten sich inspirieren ließen: Symphonien als Urlaubserinnerung
Bei Brahms klappt das. Er notiert die Melodie auf eine Postkarte und schickt sie am 21. September als Geburtstagsgruß an Clara Schumann. Der Titel: "Also blus das Alphorn heut". Unter die Noten schreibt er: "Hoch auf dem Berg, tief im Tal, grüss ich Dich, viel tausend mal."
Der Alphorn-Gruß ist ein Versöhnungsangebot von Johannes Brahms an Clara Schumann und später zentrales Motiv in seiner ersten Symphonie. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
So heiter die Postkarte aus den Bergen klingt. Ihre Botschaft ist nicht ganz unbeschwert. Anders als die Jahre zuvor ist Brahms in den Ferien eben nicht bei Clara in Lichtental bei Baden-Baden. Der Grund? Missstimmung. So sehr sich Clara stets für den 14 Jahre jüngeren Freund einsetzt, auch dafür, sein Werk bekannt zu machen, so sehr leidet sie unter seinem egoistischen, oft ruppigen Verhalten.
Diesmal hatte er schlechte Laune, weil ihre Tochter Julie seine Schwärmereien nicht erwidern wollte und einen anderen geheiratet hat. Brahms legte Clara sogar nahe, mit dem Konzertieren aufzuhören...
Berge spielen in vielen Werken klassischer Komponisten eine Rolle: Etwa in Hector Berlioz' "Harold in Italien" oder Modest Mussorgskys "Nacht auf dem kahlen Berge"
Der Alphorn-Gruß ist ein Versöhnungsangebot. Vielleicht soll er die Freundin auch an innigere Zeiten erinnern: 1856 machten sie nach dem Tod von Robert Schumann zusammen in der Schweiz Urlaub, reisten nach Gersau am Fuß des Rigi und bestiegen den Berg mehrfach. Immerhin: Einen Monat später bedankt sich Clara für das "reizende Geschenk mit dem frisch-lustigen Alpengruß!"
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Brahms 1st Symphony, Horn Solo Finale
Der Hornruf gleicht dem Aufgehen der Sonne. Die bislang düstere Stimmung wechselt: vom Schatten ins Licht, von Schmerz zu Freude – von Moll in Dur. Als Schlüsselmoment hat Johannes Brahms den Alphorn-Gruß Jahre später in den vierten Satz seiner 1. Symphonie eingebaut. Ob er in dieser Komposition das emotionale Auf-und-Ab in der Beziehung zu Clara in Musik verwandeln wollte? Kritiker haben das vermutet. Er selbst hat sich dazu nie geäußert.
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Brahms: 1. Sinfonie ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Andrés Orozco-Estrada
Sendung: "Allegro" am 2. Mai 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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