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Kritik - "Don Giovanni" in Würzburg Ein Narziss beim Karneval

Nein, nicht Don Giovanni steht im Zentrum der Opern-Inszenierung am Mainfrankentheater, sondern die Psyche der Frauen Donna Anna, Donna Elvira und Zerlina. Ein gelungener Ansatz! Wäre da nicht das Flair eines Kindergeburtstags.

Szene aus "Don Giovanni" am Mainfrankentheater Würzburg | Bildquelle: Nik Schölzel

Bildquelle: Nik Schölzel

Seit ihrer begeistert aufgenommenen Uraufführung in Prag 1787 ist Wolfgang Amadeus Mozarts "Dramma giocoso" über den spanischen Schlossherrn Don Giovanni und seine Bestrafung (für E.T.A. Hoffmann die "Oper aller Opern") aus den Spielplänen nicht wegzudenken. Zuletzt hat sich der Verführer vor allem in Nordhessen und Franken herumgetrieben. Nach der Premiere in der futuristischen Raumbühne "Antipolis" des Staatstheaters Kassel durch Paul Georg Dittrich und nach einer Neuinszenierung von Vera Nemirova im Staatstheater Nürnberg ging er nun seinem erotischen Begehren in der Theaterfabrik Blaue Halle, dem Ausweichquartier des Mainfrankentheaters, nach.

Don Giovanni passt in aktuelle Debatten

Zeitgemäß erscheint die Figur aus dem 17. Jahrhundert vor allem deshalb, weil sie in aktuelle Debatten zu passen scheint. Interessiert die erotische Faszination, die von ihm ausgeht – wie in der Nürnberger Inszenierung – oder ist er vor allem ein Fall für "Me Too", der – so in Kassel – von einer religiösen Sekte verurteilt wird? Vielleicht ist Don Giovanni zwar Titelheld,  aber nicht die zentrale Figur. Interessant nur deshalb, weil er Gefühle und psychischen Prozesse bei den von ihm eroberten oder ihm verfallenen Frauen auslöst. Irritationen bei Donna Anna nach der Affäre, die sie mit ihm hatte. Bei seiner ihm weiter anhänglichen Ehefrau Elvira. Und bei der Braut Zerlina, die ihm gerade am Hochzeitstag (oder vielleicht gerade deswegen) aufs Schloss folgt. Diese Frauen stehen bei Mozart Oper vor allem im Mittelpunkt.

Erotische Intrigen beim Karneval

Szene aus "Don Giovanni" am Mainfrankentheater Würzburg | Bildquelle: Nik Schölzel Leo Hyonho Kim in der Titelrolle "Don Giovanni". | Bildquelle: Nik Schölzel Die Würzburger Inszenierung von Intendant Markus Trabusch lässt Don Giovanni den Kostümen (Bühne Marcel Keller) nach in den 1950 bis 1970er Jahren spielen. Das wirkt ein wenig harmlos: Die Feste, die im Dorf oder auf dem Schloss gegeben werden, erinnern eher an einen Kindergeburtstag mit rosa und blauen Luftballons oder an Karnevalsverkleidungen. Freilich sind in der Theaterfabrik Blaue Halle die Möglichkeiten begrenzt, doch sich nach rückwärts verjüngende Wände und Treppen geben der kleinen Bühne etwas perspektivische Tiefe. Don Giovanni (Leo Hyonho Kim), bisweilen in weißem T-Shirt, ist ein jugendlicher Narziss, der sein triebhaftes Verhalten nicht weiter reflektiert. Sein Diener Leporello (Tahir Tazi), in Latzhose, weißem Hemd und Fliege, wirkt da viel intellektueller.

Die Inszenierung von Intendant Markus Trabusch stellt jedoch weniger den Frauenhelden, sondern den Kampf und die Intrigen gegen ihn in den Vordergrund. Im Vergleich mit anderen Aufführungen fallen einige Inszenierungsnuancen in der Charakteristik der Personen auf. Don Ottavio, Donna Annas Verlobter – in Nürnberg ein bevormundender, recht unangenehmer Spießer – , ist in Würzburg ein nachdenklicher, zur Tat entschlossener Held, der freilich auch in Donna Elvira verliebt ist.

"Don Giovanni" in Würzburg

Wolfgang Amadeus' Oper "Don Giovanni" hatte am 4. Februar 2024 Premiere in der Theaterfabrik Blaue Halle in Würzburg. Alle Aufführungstermine finden Sie hier.

Psychogramme dreier Frauen

Der stellvertretende GMD des Philharmonischen Orchesters Gabór Hontvári exerziert das Werk sehr ernsthaft, ohne sich jedoch allzu sehr auf die Ambivalenzen dieser komisch-tragischen erotischen Spiele einzulassen. Die Stimmung der düsteren Ouvertüre hellt sich kaum auf. So bleibt der lange Abend nicht nur von der Inszenierung etwas an der Oberfläche.

Es überzeugen vor allem die Sängerinnen. Ihre Arien sind die Höhepunkte des langen Abends, souverän Silke Evers als Donna Anna; lustvoll und selbstbewusst, selbst wenn sie sich schlagen lassen will, Milena Arsovska als Zerlina; zart und berührend in ihren Selbstzweifeln aber vor allem Vero Miller als Elvira. Roberto Ortiz wirkt als Ottavio wie ein Rossini-Belcanto-Tenor. Dagegen fast im Hintergrund – und von Mozart ja auch musikalisch nicht ins Zentrum gestellt – Don Giovanni (Leo Hyunho Kim) und Leporello (Tahir Tazi). Ausgemeindet aus der Gesellschaft wird im Finale ein Narziss. Und es scheint mit seinem Abgang alles beim Alten zu Bleiben. Doch die Interpretation dieser Mozart-Figur ist noch lange nicht erschöpft. Warten also auf den nächsten Don  Giovanni? Er hat sich in Dessau angekündigt.

Sendung: "Allegro" am 05. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 05.Februar, 22:06 Uhr

Dieter Brückner

Don Giovanni Würzburg

Ich finde es ausgesprochen schade, dass nun auch bei einem renommierten und von mir sehr geschätzten Musikporgramm die (Un-) Siitte einreißt, in einer Opern-Kritik des Langen und Breiten über Regie und Optik zu schreiben, die musikalische Leistung hingegen fast beiläufig mit Schlagwörtern abzuhandeln. Grundlage einer Oper ist eine Partitur.

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