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Kritik - "Matsukaze" in München Meditatives Raumklangtheater

Das Festival "Ja Mai" der Bayerischen Staatsoper bringt Toshio Hosokawas "Matsukaze" in die ehemalige Reithalle. Für unseren Kritiker: ein Volltreffer!

Matsukaze | Bildquelle: Geoffroy Schied

Bildquelle: Geoffroy Schied

Ein wenig durcheinander beginnt die Sache. Ab 19 Uhr darf man in die ehemalige Reithalle (heute wird sie "Utopia" genannt), spätestens um 19 Uhr 30 muss man drin sein. Zur Einstimmung und Raumerkundung gibt es (vorwiegend) elektronische Sounds von Mieko Suzuki. Kurz vor 20 Uhr beginnt dann das eigentliche Musiktheater "Matsukaze" des Japaners Toshio Hosokawa.

Noh-Theater und Neue Musik

Der vertonte ein altes Noh-Stück aus dem 14. Jahrhundert, das von seiner tollen Librettistin Hannah Dübgen in eine ebenso poetische wie bühnenwirksame Sprache gebracht wurde. Nun ist das Noh-Theater in Europa zwar immer wieder mal vor allem in Form von Gastspielen zu erleben, aber als Grundlage für Neue Musik doch eher ungewöhnlich.

Der Plot ist simpel und spannt zugleich weite Assoziationsräume auf: Ein Mönch sieht eine Kiefer mit den dort angebrachten Namen Matsukaze und Murasame. Er trifft einen Fischer, der ihm vom Schicksal der Schwestern erzählt, sie waren in denselben Mann verliebt. Der Pilger begegnet ihnen und versucht eine Art Heilung, doch als er erwacht, sieht er wiederum nur die alte Kiefer ...

Musikalisch überragend

Es sind traumverlorene, aber oft auch kurz heftig eruptive Klänge, die Hosokawa schafft, mit gleißenden, oft langatmig fließenden Kantilenen und einem Brodeln im Orchesterapparat, das mal für Sphärenmusik, mal für konkrete, direkt ``verständliche´´ Momente sorgt. Bei Alexandre Bloch am Pult des Münchener Kammerorchesters ist die Partitur in besten Händen, der VOCES-Chor aus Stuttgart (Einstudierung Johannes Knecht) und ein fulminantes, junges Ensemble vom Opernstudio sorgen für überragende Qualität.

Das ist besonders bemerkenswert, weil die Aufführung ständig im Fluss ist, die Figuren sich durch den Raum bewegen, Waschungen durchführen, sich in einen Kasten mit Quarzsand legen oder sich mit messerscharfer Präzision aufeinander zu oder umeinander herum bewegen. Neben den wunderbaren Sängerinnen Seonwoo Lee (Matsukaze), Natalie Lewis (Murasame) oder dem raumfüllenden Paweł Horodyski als Mönch kommen stumme Figuren ins Spiel, welche die Charaktere verdoppeln, erweiteren, auch spiegeln. Phänomenal ist vor allem Corey Scott-Gilbert, er verkörpert den fernen Geliebten ebenso wie die Kiefer - eine an Butoh-Tanz erinnernde, oft schweißtreibend intensive Performance.

Begehbare Bühne

Ein weiterer Clou der Inszenierung, oder vielmehr dieser Hör-Raum-Klang-Installation des Duos Lotte van den Berg und Tobias Staab: die Zusammenarbeit mit der gerade viel gefeierten Künstlerin Alicia Kwade, die diverse Objekte geschaffen hat, von den erwähnten Sand- oder Wasserbassins über betretbare Strebenstrukturen bis zu einem riesigen Rock aus Ästen und Gestrüpp.

Der rund zweistündige Abend hält konsequent die Spannung und zugleich Balance aus meditativen Exerzitien und fragmentarischer Erzählung. Die Möglichkeit fürs Publikum, sich unter die Akteure zu mischen oder auf einem Hocker zu sitzen oder einfach mal kurz an eine Wand gelehnt zu 'pausieren' wird somit zu einem fast schon demokratischen Musiktheaterritual, welches die Möglichkeiten des Spielortes frappant nutzt.

Staatsopernintendant Serge Dorny und seinem Team ist mit dieser aufwändigen und komplexen Produktion ein Volltreffer gelungen.

Sendung: "Allegro" am 5. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 04.Mai, 11:00 Uhr

SW

Kostüm

Eine wirklich verzauberte und verzaubernde Inszenierung. Die ebenfalls sehr gelungenen Kostüme, zu denen auch der oben erwähnte "Rock" - ich selbst empfand ihn mehr als Mantel - gehört, wurden im Übrigen von der Kostümbildnerin Annika Lu entwickelt.

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