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Kritik – "Tristan und Isolde" bei Bayreuther Festspielen Im Auge des Sturms

Nur gut ein halbes Jahr vor der Premiere im Sommer 2022 erhielt Roland Schwab die Anfrage, "Tristan und Isolde" für Bayreuth zu inszenieren. Jetzt feierte die Wiederaufnahme Premiere, schon im nächsten Jahr wird sie durch eine Neuinszenierung ersetzt.

Szenenbilder Wagners "Tristan und Isolde"  2023 -  Inszenierung Bayreuther Festspiele 2022, Regie: Roland Schwab | Bildquelle: © Enrico Nawrath

Bildquelle: © Enrico Nawrath

Kritik

"Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen

Dieser "Tristan" war ein Schnellschuss. Was ihm nicht geschadet hat. Ungewöhnlich war nicht nur die kurze Vorbereitungszeit, sondern auch, dass gleichzeitig der neue "Ring" von Valentin Schwarz erarbeitet wurde. Dieses Mammutwerk lastet normalerweise den Betrieb komplett aus. Aber wegen Corona wackelte der "Ring". Da wollte Katharina Wagner offenbar zur Sicherheit zusätzlich was in der Hinterhand haben. Und wer weiß, vielleicht wollte sie auch die traditionellen Wagnerfans ein bisschen streicheln. Eine eher zurückhaltende Inszenierung, die sich nicht so wichtig macht, sondern ganz Ohr ist für die Musik – das kann man auch als versöhnliche Geste in Richtung der aufgebrachten Traditionalisten verstehen. Schließlich ist der "Ring", den Valentin Schwarz als wilde Netflix-Serie erzählt, für viele Bayreuth-Pilger eine bittere Pille. Während also Kollege Schwarz auch in diesem Jahr jede Menge wütende Buhs einstecken musste, wurde Roland Schwab für seinen eher reduzierten "Tristan" am Donnerstagabend einhellig bejubelt.

Inszenierung in Bildern

Sympathisch bescheidene Inszenierung

Hier decken sich Anspruch und Wirklichkeit: Diese Inszenierung ist auf sympathische Weise bescheiden. Sie tut nicht so, als wäre sie wer weiß wie revolutionär. Das Bühnenbild zeigt eine zeitlose Welt, die vor allem gut ausschaut: ein halbrunder Raum mit ovaler Öffnung an der Decke, stimmungsvoll ziehen Wolken und ferne Galaxien über den Himmel. Auf dem Boden ein ovales Feld, in dem sich alles spiegelt. Nur Tristan und Isolde betreten diesen besonderen Raum, und wenn sie sich ihre todessüchtige Liebe gestehen, sind sie im Auge eines Sturms. Beide heben dann leicht die Arme, als würden sie fliegen. Endlich, wenn schon der betrogene Ehegatte auf dem Plan steht, umarmen sie sich.

Clay Hilley schenkt alles, was er hat

Sehr viel mehr ist bei Clay Hilley, der den Tristan singt, an Bühnenaktion wohl auch nicht zu holen. Da wird man als Regisseur pragmatisch. Nach dem zweiten Akt bekommt Hilley ein paar Buhs. Das ist hart. Natürlich merkt man ihm an, dass die Partie mörderisch schwer ist. Die Anstrengung ist nicht überhörbar, nicht nur in der Höhe ist die Stimme eng und etwas flach. Aber Hilley kommt immer durch und schenkt dem Publikum alles, was er hat.

Bayreuther Festspiele

Alle Infos und Kritiken zu den diesjährigen Bayreuther Festspielen finden Sie hier.

Catherine Foster mit enormer Bühnenpräsenz

Auf einem ganz anderen Niveau gestaltet Catherine Foster die Isolde. Diese Frau hat enorme Bühnenpräsenz. Und dafür muss sie gar nicht viel hin und her laufen. Jede Geste hat Energie und Fokus – wie ihre Stimme. Warm und rund kann sie klingen, aber auch gleißend hell. Catherine Foster hat einen starken Abend. Auch sie schont sich nicht. Schon im ersten Akt entfesselt sie die ganz großen Gefühle. Dafür zahlt sie am Schluss einen gewissen Preis, aber dass der Liebestod wackelt, ist nicht ihre Schuld, sondern die des Dirigenten Markus Poschner.

Markus Poschner kämpft mit der Akustik

Dirigieren im Bayreuther Festspielhaus ist ja in gewissem Sinn ein Blindflug, weil man hier in dem besonderen, verdeckten Orchestergraben nicht hören kann, wie das Klangergebnis im Publikum ankommt. Markus Poschner schafft es nicht immer, wirklich mit den Sängern zu atmen. Schon beim Vorspiel klappert es im Festspielorchester. Sehr langsam fängt Poschner an, und man fragt sich, ob das Konzept ist oder ob ihm das halt so passiert. Jedenfalls zieht er bei der Steigerung das Tempo deutlich an, was nicht alle ganz synchron mitmachen. Handwerklich ist das noch ausbaufähig. Aber was Poschner emotional ausdrücken will, vermittelt sich trotzdem: romantische Entgrenzung und sinnlicher Genuss.

Keine Sternstunde, aber ein stimmiger Abend

Große Klasse zeigt das übrige Ensemble: Überragend singt Georg Zeppenfeld den König Marke. Wie immer versteht man jedes Wort. Bei Markus Eiche als Kurwenal sitzt die Stimme perfekt im Körper, Kraft und Wohllaut finden sich. Dagegen kommt bei der Brangäne von Christa Mayer Kraft vor Wohllaut, ihr markanter Mezzo klingt etwas herb. Keine Sternstunde, aber ein in sich stimmiger Abend mit tollen Sängerinnen und Sängern. Auch ein Schnellschuss kann treffen.

Sendung: "Allegro" am 4. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (7)

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Samstag, 05.August, 22:49 Uhr

Frédéric Renard

Rezension Tristan und Isolde:

Im Gengensatz zu anderen Kommentatoren, habe ich dieser Premiere beigewohnt, und habe diese Aufführung sehr genossen.
Beginnend mit dem Bühnenbild, welches faszinierend war. Im ersten Akt konnte man es als den „Wellnessbereich“ eines Schiffes interpretieren, in den folgenden Akten mit den entsprechenden Pflanzenbewuchs als „Liebes“-Garten oder die „Fluchhöhle“ Tristans.

Was den stimmlichen / musikalischen Ausdruck anbelangt, kann ich Herrn Neuhoff fast kommentarlos zustimmen.

• Cathrine Foster, Markus Eiche und Georg Zappenfeld waren Top-Form
• Christa Mayer empfand ich auf gleichem Niveau wie die oberen drei Akteure ? Top-Form
• Clay Hilley hatte hin und wieder seine Probleme bei den Hohen Tönen, hat es aber im Großen und Ganzen akzeptabel über die Bühne gebracht.
• Markus Poschner hat mit dem Orchesterspiel teileweise die gesangliche Performance übertönt.

Ich empfand es insgesamt als ein sehr gelungener und unterhaltsamer Abend und absolut Bayreuth – würdig.

Samstag, 05.August, 10:28 Uhr

Bassetto

Sehr genügsam

Ich bewundere Ihre Genügsamkeit, lieber Herr Neuhoff. Ich war nicht dort, aber für mich klingt das - szenisch wie musikalisch - nach einer recht ordentlichen Repertoirevorstellung, wie man sie am heimischen Opernhaus gerne mal mitnimmt. Für einen „Tristan“ bei den Bayreuther Festspielen wäre meine persönliche Erwartungshaltung eine andere.

Samstag, 05.August, 08:51 Uhr

Birgit Baumann

Rezension Tristan und Isolde

Ich stimme Dem Kommentar völlig zu! Übrigens fand ich das Bühnenbild außerordentlich!

Freitag, 04.August, 23:02 Uhr

Walter Lange

Auch in Wagners Tristan und Isolde erscheint wieder das Motiv des Liebesverbots, das sich in vielen seiner Werke findet. Hier spiegelt sich die Sexualmoral Wagners wider, der sein Leben lang unter seiner Sexualität gelitten hat.

Freitag, 04.August, 17:57 Uhr

Michael Andreas Müller

Tristan und Isolde

Es gab einen Schnitt im 2. Aufzug. Weil Hilley sonst nicht durchgehalten hätte. Das ist unwürdig. Zeppenfeld und Foster Spitze.

Freitag, 04.August, 17:40 Uhr

Wolfram

Tristan und Isolde

Ps. Ich empfehle Ihnen Herr Neuhoff, nochmal die Aufnahme Tristan und Isolde mit Birgit Nilsson und Wolfgang Windgassen anzuhören, dann sollte Ihnen es klarer werden, dass man verständlich singen sollte und nicht in einem kauderwelsch von Tönen. Ihre Kritik ist viel zu positiv ist und vermittelt den Essern ein völlig falsches Bild.
Fazit, die aktuelle Aufführung Tristan und Isolde 2023 in Bayreuth wurde einer Weltklasse Aufführung nicht mal im Ansatz gerecht und das sollte es in Bayreuth immer sein. Denn schlussendlich ist genau das was Bayreuth vorgibt zu sein, Weltspitze .

Freitag, 04.August, 11:52 Uhr

Wolfram

Tristan und Isolde

Entgegen der Kritik:

Den Abend hat Georg Zeppenfeld gerettet!
CLAY HILLEY enttäuschte als Tristan, CATHERINE FOSTER als Isolde sang nach dem Motto Hauptsache Töne und null Sprache, Marcus Poschner lässt einen wehmütig an Christian Thilemann vermissen.

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