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Kritik – Daniel Harding in Salzburg Mit den Augen hören

Mit Daniel Harding und den Wiener Philharmonikern endet die Konzertreihe "Zeit mit Ligeti" der Salzburger Festspiele. Ein herausragender Abend, der auch bekannte Komponisten in neuem Licht erscheinen lässt.

Daniel Harding und die Wiener Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen 2023 | Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Ein Konzert mit Filmmusik? Nein, so weit ist es bei den Salzburger Festspielen dann doch noch nicht. Trotzdem dürften die beiden rahmenden Werke, die nun die Wiener Philharmoniker im Rahmen ihrer Reihe "Zeit mit Ligeti" zur Diskussion stellten, vielen vor allem aus Stanley Kubricks Science Fiction-Klassiker "2001 – Odyssee im Weltraum" bekannt sein. Ligetis "Atmosphères" dienten dem Kult-Regisseur einst dazu, das Gefühl des Fremden, des Andersartigen akustisch zu illustrieren, das im Film von einem geheimnisvollen Monolithen außerirdischen Ursprungs ausgeht. Und diese Wirkung verfehlte das 1961 aus der Taufe gehobene Stück auch jetzt im Großen Festspielhaus nicht, wo man mit den flirrenden Klangflächen zum Auftakt die Ohren des Publikums für das Kommende eichte.

Fingerspitzengefühl und Nüchternheit bei Daniel Harding

Dirigent Daniel Harding, der das Programm vom erkrankten Franz Welser-Möst übernommen hatte, näherte sich der Partitur dabei mit viel Fingerspitzengefühl und mit der gebotenen Nüchternheit. Oft an der unteren Grenze des Hörbaren, um so mit dem Klischee des schrillen Neutöners aufzuräumen und die Feinheiten der Instrumentierung freizulegen. Wobei die ikonischen Kubrick-Bilder womöglich auch bei Harding im Hinterkopf spukten. Der unterbewusst spürbaren Kälte des luftleeren Weltraums folgte mit den "Metamorphosen" von Richard Strauss ein Werk, bei dem man sich vom warmen Ton der Celli wieder innerlich wärmen, gleichzeitig aber ebenso Parallelen zum vorangegangenen Werk feststellen konnte.

Die Salzburger Festspiele 2023 bei BR-KLASSIK

Lesen Sie alle Neuigkeiten rund um die Salzburger Festspiele in unserem Dossier.

Wiener Philharmoniker: Ein Orchester aus Solisten

Wie die "Atmosphères" muss man auch Strauss' "Metamorphosen" eigentlich live im Konzertsaal erleben, um die Komplexität des Werkes zu würdigen. Nur beim Hören mit den Augen wird einem bewusst, wie geschickt die einzelnen Stimmen dieser "Studie für 23 Solostreicher" miteinander verzahnt sind, die sich in immer neuen Konstellationen zusammenfinden. Und dass bei einem Spitzenorchester wie den Wiener Philharmonikern wirklich jeder und jede einzelne unter den Mitgliedern das Solo-Prädikat verdient, dürfte spätestens nach dieser beeindruckenden Demonstration niemand mehr anzweifeln. Transparent im Klangbild und rhythmisch präzise, ohne dabei das Gefühl des Technischen zu vermitteln.

Ligetis "Lontano": Stille Spannung

Dramaturgisch ähnlich klug kombiniert präsentierte sich der zweite Teil dieser Matinee, der von Ligetis "Lontano" eröffnet wurde. Ein Stück, in welchem der Komponist erneut auf kleinstem Raum den vollen Orchesterapparat für spannende Klangeffekte zu nutzen verstand. Harding blieb seiner bewährten Herangehensweise hier weiterhin treu, hielt das Tempo stets auf Zug und animierte das Orchester weiter zu dynamischen Nuancen. Wobei er konsequent die Stille nach den einzelnen Werken auskostete und die Spannung nach den letzten Takten hielt, ehe er den befreienden Applaus zuließ.

Ligeti in Salzburg

"Zeit mit Ligeti" heißt die Konzertreihe, die in diesem Jahr einen thematischen Schwerpunkt bei den Salzburger Festspielen bildete. Lesen Sie hier die Kritik zum ersten Konzert dieser Reihe – mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard.

Zahlreiche, wohlkalkulierte Höhepunkte

Zum Finale schloss sich dann endlich der Bogen zurück zum Ideengeber Kubrick. In Gestalt von Strauss' "Also sprach Zarathustra", der in Hardings zügig vorwärtsdrängender Interpretation auch jenseits der berühmten Anfangs-Fanfare zahlreiche wohlkalkulierte Höhepunkte bot. Einmal dank des süffigen Streicherklangs, aber auch durch das differenzierte Spiel der Blechbläser. So etwa im emotionalen "Grablied" oder beim "Genesenden", die später in der leichten Unbeschwertheit des "Tanzliedes" ihr ähnlich stimmiges Gegengewicht erhielten.

Ein überaus rundes Programm, das durch die Gegenüberstellung zweier am Ende dann doch irgendwie seelenverwandt wirkender Komponisten, sowohl György Ligeti als auch Richard Strauss auf einmal in etwas anderem Licht erschienen ließ.

Sendung: "Allegro" am 21. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Sonntag, 20.August, 19:38 Uhr

T.S.

Lustig

Also 20 Minuten Ligeti ("Gott sei Dank nicht mehr", werden viele gedacht haben), fast anderthalb Stunden Richard Strauss. Und das Ganze unter dem Motto "Zeit mit Ligeti".

Dieser Humor gefällt mir.

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