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Zum 100. Geburtstag von Max Roach Ein Schlagzeuger, der Jazzgeschichte schrieb

Max Roach war ein absoluter Frühstarter am Schlagzeug. Als Kind im Gospelchor seiner Mutter, als Teenager im Orchester von Duke Ellington, mit neunzehn bei seinen ersten Plattenaufnahmen. Der Afroamerikaner war einer der gefragtesten Drummer der USA, wurde Ende der 50er Jahre in der Bürgerrechtsbewegung aktiv und in den 70er Jahren auch zum furchtlosen Free-Jazzer. Am 10. Januar wäre er 100 Jahre alt geworden.

Max Roach 1947 | Bildquelle: William P. Gottlieb

Bildquelle: William P. Gottlieb

Max Roach wuchs in New York auf, genau genommen in Brooklyn. Dorthin war seine Familie, die zuvor eine kleine Farm in North Carolina betrieben hatte, gezogen, als er vier war. Ende der 1920er Jahre, auf dem Höhepunkt der Depression, war das Geld sehr knapp, aber Musik gab es überall. In fast jedem Mietshaus wurden "Rent parties" gefeiert. Es gab Live- Musik zu kleinem Eintritt und, in Zeiten der Prohibition, illegalen Alkohol. Mit dem allgegenwärtigen Sound des noch jungen Jazz wuchs Max Lemuel Roach auf. Auch mit dem des Gospelchors seiner Mutter, in dem er schon mit zehn Schlagzeug spielen durfte.

Zu seinen Kumpels aus Kindertagen gehörten Sonny Rollins und Bud Powell, die wie er berühmte Jazzmusiker werden sollten. Mit dem Saxophonisten Sonny Rollins spielte Max Roach in den 50er Jahren unter anderem im Quintett von Thelonious Monk zusammen, mit dem Pianisten Bud Powell schon ab 1947 in dessen Bands. Max Roachs Spiel war hip und urban. Treibend und präzise in den schnellen Bebop Tempi war für seinen Sound charakteristisch, dass er die Rhythmus-Patterns häufig auf den Becken seines Schlagzeugs ausformulierte. Manche glaubten darin das Rattern der New Yorker Subway wiederzuerkennen.

Max Roach war ein Star der Bebop-Ära

Die angesagten Bebopper holten den Youngster ins Studio und auf die Bühnen: Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Miles Davis und viele andere setzten auf sein agiles Spiel. Rund um die Uhr habe er deswegen in den 40er und 50er Jahren Jazz spielen können, erzählte Max Roach 1993 in einem langen Video-Interview. Trotzdem versäumte er es dabei nicht, an der Manhattan School of Music auch noch drei Jahre lang klassische Perkussion zu studieren. Als er 1954 mit dreißig seine erste eigene Band gründete, war ein Beweggrund dafür, dass er unbedingt mit einem stellaren, jungen Trompeter zusammenspielen wollte, der als einer der größten Musiker der Jazzgeschichte gehandelt wird: Clifford Brown.
Mit 23 Jahren war er ein Star der Bebop und Hardbop-Ära, berühmt für sein melodiöses Spiel. Die beiden waren ein Dream-Team und formierten ein Quintett, mit dem sie innerhalb von zwei Jahren vier LPs aufnahmen. Mit ihrer Idealbesetzung, die von großer Freundschaft getragen war, ritten sie auf einer Erfolgswelle, bis Clifford Brown zusammen mit dem Pianisten der Band, Richie Powell, und dessen Ehefrau bei einem Autounfall ums Leben kam. Mit 25 Jahren. Obwohl er nur wenige Jahre als Profimusiker und Recording Artist tätig sein konnte, ist er eine absolute Richtgröße für Generationen nachkommender Jazztrompeter geblieben.

Max Roach auf BR-KLASSIK

Gleich zweimal können Sie am 10. Januar 2023 Musik von Max Roach im Radioprogramm von BR-KLASSIK erleben.
"Classic Sounds in Jazz" ab 19:05 Uhr.
"Bebop, Bürgerrechtsbewegung, Free Jazz. Eine Sendung zum 100. Geburtstag des Schlagzeugers Max Roach" ab 23:05 Uhr.

Roach engagierte sich gegen Rassismus

CD Cover Max Roach | Bildquelle: Jazz Images Max Roach nahm 1960 das Album "We insist" auf, ein Plädoyer für Gleichberechtigung und gegen Rassismus. | Bildquelle: Jazz Images Max Roach war am Boden zerstört, aber das Leben musste weitergehen. Und damit auch sein Engagement für die Gleichberechtigung Schwarzer Menschen in den USA. Die Bekämpfung von Rassismus und Marginalisierung von Afroamerikaner:innen mit den Mitteln der Musik, und die Förderung der eigenen Identitätsfindung für die Nachfahren versklavter Menschen wurden für Max Roach vorrangig. Zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, der Sängerin Abbey Lincoln, die an seiner Seite eine Metamorphose vom singenden Glamourgirl, zu dem sie ihre Plattenfirma stilisiert hatte, zur Bürgerrechtlerin vollzog, nahm er 1960 das Album "We insist – Freedom Now Suite" auf. Darin enthalten auch ein musikalisches Triptychon mit dem Titel "Prayer/Protest/Peace". Das Gebet und die Klage der Unterdrückten, der Ausbruch schmerzvollen Zorns und die Ruhe, die einkehren kann, wenn man weiß, dass man alles für die Verbesserung der Situation getan hat, kommen darin zum Ausdruck.

Meine Musik versucht auszudrücken, wie ich mich wirklich fühle und ich hoffe, sie drückt damit aus, wie sich Schwarze in den USA fühlen.
(Max Roach)

Für ihr politisches Engagement wurden Abbey Lincoln und Max Roach damals teilweise sehr angefeindet, unter anderem auch von dem Musikkritiker Ira Gitler, der für das renommierte Downbeat Magazine schrieb. Nach heftigen Protesten der Leser:innen veranstaltete die Zeitschrift eine Diskussionsrunde mit den Betroffenen und Beteiligten, die aufgenommen wurde und deren Protokoll der Autor Peter Kemper in seinem Buch "The Sound of Rebellion – Zur politischen Ästhetik des Jazz" als aufschlussreiches Zeitdokument verwenden konnte.

"Tryptich 1964" aus "Freedom Now Suite" mit Abbey Lincoln

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Max Roach | Triptych 1964 | Bildquelle: Music Circle (via YouTube)

Max Roach | Triptych 1964

"Money Jungle" - eine Platte, die Rätsel aufgibt

In die Zeit von Max Roachs bürgerrechtlichen Aktivitäten fällt auch die Aufnahme einer Platte, die bis heute einige Rätsel aufgibt: "Money Jungle". Den Anstoß dazu gab Duke Ellington, der Max Roach als 16-Jährigen das erste Mal als Aushilfsschlagzeuger für sein Orchester engagiert hatte. 1962 lud er ihn und den Bassisten Charles Mingus zu einer Aufnahmesession ein. Die Temperamente der Musiker hätten nicht unterschiedlicher sein können. Hier Ellington, der elegante Gentleman alter Schule, dort Mingus, der hypersensible und aufbrausende Kraftmensch. Und dazu der ruhige, zurückhaltende Max Roach, der den in der Musik immer offenkundiger werdenden Meinungsverschiedenheiten seiner beiden Kollegen sein präzises Spiel entgegensetzt.  Die Sache eskalierte, und am Ende soll irgendetwas, das Max Roach sagte oder spielte, Charles Mingus so erzürnt haben, dass er aus dem Studio stürmte. Vielleicht eine Anspielung auf die Jahre, in denen die beiden mit großem Elan, aber wenig Erfolg das Independent Label "Debut Records" geleitet hatten? Man weiß es nicht und wird es wohl auch nicht mehr herausfinden. Sie schafften es aber trotz allem, das Album "Money Jungle" fertigzustellen, dem es nicht an dissonanten Klängen mangelt. Aber einen "Geld-Dschungel" braucht man sich ja auch nicht unbedingt als harmonisches Idyll vorstellen.

Der Weg zum Free Jazz

Max Roach, Queen Elizabeth Hall, London, 1996. (National Jazz Archive/Heritage Images) | Bildquelle: picture alliance / National Jazz Archive/Heritage I | Brian Foskett Max Roach im Alter von 72 Jahren in London. | Bildquelle: picture alliance / National Jazz Archive/Heritage I | Brian Foskett In den 60er Jahren nahm Max Roach auch erste Stücke für Schlagzeug Solo auf und verwendete dafür das gängige, fünfteilige Schlagzeug-Set mit Basstrommel, Snare, Stand-Tom, Hi-Hat und Ride-Becken. Sein erstes Stück hieß "Drum Conversation" und auf die fehlenden Akkorde und Harmonien darin angesprochen meint er, hier gehe es um die Konstruktion, um Architektur, um ein Klanggebäude. Es war eines, das er aber durchaus auch melodiös klingen lassen konnte. 1970 gründete der Schlagzeuger das Perkussions-Ensemble M´Boom, das ein Vierteljahrhundert bestand und begab sich in eine ganze Reihe spannender Duo-Konstellationen, die dem Free Jazz zugerechnet werden können: mit Pianist Cecil Taylor etwa und Saxophonist Anthony Braxton. Im Duo mit Saxophonist Archie Shepp unterfütterte er den freitönenden Gestus der Musik mit politischen Botschaften, aus denen der Wunsch nach mehr Freiheit in einer gerechteren Welt spricht. Und mit dem südafrikanischen Pianisten Abdullah Ibrahim spielte er auf der Basis einer inneren Übereinkunft: dass die Emanzipationsbewegung der Afroamerikaner und die Unabhängigkeitsbestrebungen ehemals kolonialisierter, afrikanischer Staaten zusammengehören. In den 80er und 90er komponierte Max Roach Musik für Tanztheater, spielte mit klassischen Ensembles und Symphonieorchestern, aber auch mit Hip Hoppern und manchmal auch mit Gospelchören, so wie er es einst als Kind getan hatte.

Seine Laufbahn musste dieser hochkreative Musiker nach bald 65 aktiven Jahren Anfang der 2000er Jahre krankheitsbedingt beenden. Am 16. August 2007 starb Max Roach im Alter von 83 Jahren. Sein Werk und seine Wirkung bleiben unvergessen.

Sendung: "Bebop, Bürgerrechtsbewegung, Free Jazz. Eine Sendung zum 100. Geburtstag des Schlagzeugers Max Roach" am 10. Januar 2024 ab 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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