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Leif Ove Andsnes beim BRSO Pianist und Beethoven-Fan

Die "Exzesse des Klangs" in Beethovens 5. Klavierkonzert begeistern Leif Ove Andsnes. Jetzt spielt der norwegische Pianist das Werk gemeinsam mit dem BRSO in München und Wien. Und er erzählt, was er an Dirigent Daniel Harding besonders schätzt.

Leif Ove Andsnes | Bildquelle: Helge Hansen

Bildquelle: Helge Hansen

BR-KLASSIK: "The Beethoven Journey", also eine "Beethoven-Reise" haben Sie Ihre CD-Einspielung mit den fünf Beethoven-Klavierkonzerten betitelt, die 2015 herauskam. Was haben Sie auf dieser Reise gelernt?

Leif Ove Andsnes: Es war eine sehr intensive Phase von drei Jahren, in der ich hauptsächlich nur Beethoven gespielt habe. Die einzige Zeit in meinem Leben, die ich nur einem Komponisten gewidmet habe. Nicht nur die Konzerte, sondern auch die Sonaten, Kammermusik und so weiter. Als ich mit dieser Beethoven-Reise begann, dachte ich sehr oft an Struktur, also wie die Musik gebaut ist. Am Ende war das Schlüsselwort für mich Freiheit. Weil diese Musik so sehr von Freiheit handelt und der Suche danach. Wenn man alle fünf Konzerte zusammen spielt, wie wir das oft mit dem Mahler Chamber Orchestra gemacht haben, sieht man die Reise, die Beethoven gemacht hat, sagen wir vom dritten Konzert bis zum fünften. Das dritte klingt noch sehr nach Sturm und Drang, auf der Suche nach Antworten. Im fünften Konzert gibt es diese Ekstase. Wir haben die Freiheit gefunden, die Freiheit ist hier.

Das Schlüsselwort in Beethovens Klavierkonzerten ist 'Freiheit'.
Leif Ove Andsnes

BR-KLASSIK: Wenn Sie auf dieser Reise Beethoven tatsächlich getroffen hätten: Was hätten Sie ihn gefragt?

Leif Ove Andsnes | Bildquelle: © © Helge Hansen_Sony Music Entertainment Der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes ist zu Gast in München beim BRSO. | Bildquelle: © © Helge Hansen_Sony Music Entertainment Leif Ove Andsnes: Ich denke, ich würde Beethoven einfach beobachten und wäre überwältigt. Nach einer Weile würde ich ihn ein paar Sachen über Artikulation fragen, über Phrasierung und Pedalangaben in den Partituren. All diese Sachen, mit denen wir uns jeden Tag herumschlagen, und speziell in diesem fünften Konzert. Ich habe das erst mit Daniel Harding in der Probe diskutiert. Soll es da beim Hauptthema des ersten Satzes eine kleine Unterbrechung geben in den Violinen? Das ist nicht immer ganz klar in der Partitur ersichtlich. All diese Fragen würden dann aufkommen. Aber erst mal wäre ich sehr still.

Neue Klänge in Beethovens 5. Klavierkonzert

BR-KLASSIK: Die fünf Klavierkonzerte sind zentral im Schaffen Beethovens, der ja selbst ein herausragender Pianist war. Was ist für Sie das Neue an dieser Musik, an seinem Stil?

Leif Ove Andsnes: Neu ist im fünften Klavierkonzert von Beethoven dieses Glitzern im Klavierklang. Wir wissen, dass es zu dieser Zeit eine enorme Entwicklung im Klavierbau gab. Innerhalb von nur ein paar Jahren gab es ganz neue Möglichkeiten, einen größeren Klangraum. Beethoven liebte diese Entwicklungen und die neuen Klänge. Und er liebte das Extreme im Klavier. Das merkt man daran, wie er etwa den Diskant nutzt. Diese Klänge, die wie Glocken sind, sind wirklich eine neue Welt. Außerdem gibt es diese Klangkaskaden zu Beginn: Der erste Satz startet nicht mit dem ersten Thema, sondern es gibt erst mal eine Art Vulkan an Klängen. Ich glaube, dieses Stück dreht sich viel um neue Klangmöglichkeiten und um Exzesse des Klangs.

Leif Ove Andsnes beim BRSO

Der Pianist Leif Ove Andsnes spielt Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Daniel Harding: am 13. und 14. Juni 2024 um 20:00 Uhr im Münchner Herkulessaal, am 15. Juni 2024 um 19:30 Uhr im Konzerthaus Wien. Weitere Informationen zum Programm finden Sie hier. BR-KLASSIK überträgt das Konzert am 14. Juni live im Radio.

BR-KLASSIK: Sie haben das Werk schon sehr oft gespielt. Aber wenn man Ihnen bei der Probe mit dem BRSO zusieht und zuhört, hat man doch den Eindruck, es ist immer wieder eine neue Herausforderung, ein neues Suchen nach der richtigen Interpretation…

Leif Ove Andsnes: Ja, das ist immer so. Aber natürlich ist jede Situation anders. Jedes Orchester ist anders, jeder Konzertsaal, jedes Klavier, jeder Dirigent. Und ich genieße es so sehr, mit Daniel Harding zusammen zu arbeiten, der sehr genaue Vorstellungen von der Musik hat, die er dirigiert. Das ist es, was ich will. Wenn ich mit einem Dirigenten arbeite, will ich nicht einen, der sagt: Mach dir keine Sorgen, ich folge dir. Nein, ich möchte jemanden mit wirklich starken Meinungen. Vielleicht stimme ich manchmal nicht damit überein, sodass wir eine Auseinandersetzung haben. Aber das ist Teil der Entwicklung für mich mit dem Stück, um sich alles noch bewusster zu machen und die Möglichkeiten zu sehen. So ist jeder Tag wieder eine leere Leinwand. 

Ich möchte jemanden am Dirigierpult mit wirklich starken Meinungen.
Leif Ove Andsnes

BR-KLASSIK: Bei Ihrer CD-Aufnahme der Klavierkonzerte von Beethoven haben Sie damals auch als Dirigent agiert. Ist das nun leichter oder schwerer für Sie, wenn Sie Klavierkonzerte spielen und gleichzeitig dirigieren?

Leif Ove Andsnes: Es ist in gewisser Weise schwerer, weil ich zwei Rollen habe. Auf der anderen Seite funktioniert es sehr gut, wenn ich der Erzähler der Musik bin. Wenn man mit Dirigenten spielt, ist es ein wenig "on and off", "das ist dein Part, dann kommt mein Part". Das ist nicht immer gut für die Musik. Also versuche ich sehr involviert zu sein mit dem, was der Dirigent macht. Aber im Moment muss ich sagen, genieße ich es sehr, diese Konzerte mit Dirigent zu spielen und mich auf mein Klavierspiel zu konzentrieren.

BR-KLASSIK: Man bekommt dann auch mehr Anregungen von außen...

Leif Ove Andsnes | Bildquelle: © mahlerchamber Leif Ove Andsnes leitet in Norwegen das Rosendal Chamber Music Festival. | Bildquelle: © mahlerchamber Leif Ove Andsnes: Ja, das ist wahr. Ich bekomme Anregungen von den Dirigenten, mit denen ich zusammenarbeite. Bei Beethoven ist es ein wirklich symphonischer Klang. Wenn ich mit dem Klavier in der Mitte des Orchesters sitze, ist es anstrengend, diese beiden Rollen zu haben. Mozart ist kammermusikalischer, würde ich sagen. Da ist es leichter, die Rolle des Dirigenten zu übernehmen. Es ist Dialog, Theater zwischen den Holzbläsern und dem Klavier. Bei Beethoven wächst es mehr und wird symphonischer.

Leif Ove Andsnes ist Pianist und Festivalleiter in Norwegen

BR-KLASSIK: In Ihrer Heimat Norwegen sind Sie auch Leiter eines Musikfestivals, des Rosendal Chamber Music Festivals. Was gefällt Ihnen daran, ihr eigenes Festival zu organisieren?

Leif Ove Andsnes: Ich habe mit 22 Jahren erstmals ein Musikfestival im Süden Norwegens geleitet, und dann 17 jahre lang. Erst danach kam das Rosendal Festival. Für mich ist es ein Teil meines Lebens geworden, auch Veranstalter zu sein. Alles zu planen, alles zu kuratieren. Welche Musiker kann man zusammen bringen? Welches Thema möchte ich haben? Ich suche immer ein Thema, in das wir tief eintauchen können, auch mit Lesungen. Das Publikum mag das. Im letzten Jahr hatten wir viel Brahms und Ligeti. Diese beiden Komponisten und Lesungen. Und am Ende kam man wirklich zu einem Gefühl, dass man diese Musik und die Persönlichkeiten der Komponisten kennt. Das liebe ich.

Sendung: "Leporello" am 14. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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