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Vladimir Korneev im Interview "Die Bühne war meine Therapie"

Der Chansonnier und Schauspieler Vladimir Korneev ist als Kind mit seiner Familie aus Georgien geflohen, dann in Augsburg aufgewachsen. Wie ihm die Kunst geholfen hat, Kriegstraumata zu bewältigen, erzählt er im Interview.

Vladimir Korneev | Bildquelle: Vladimir Korneev

Bildquelle: Vladimir Korneev

BR-KLASSIK: Herr Korneev, Sie treten gemeinsam mit dem Rundfunkorchester auf. "La Vie en Rose" heißt Ihr Programm, das Édith Piaf gewidmet ist. Das Leben von Edith Piaf war ja alles andere rosig. Ist das eine Gemeinsamkeit mit ihren frühen Jahren?

Vladimir Korneev: Ich würde mich scheuen, da Parallelen zu ziehen, weil Édith Piafs Leben doch sehr extrem war. Sehr fantastisch und schön, aber auch sehr aufregend und teilweise auch schrecklich. Ich denke, es gibt wie in jeder anderen Künstlerbiografie vielleicht gewisse Ähnlichkeiten. In meinem Fall, dass ich in ärmeren Verhältnissen geboren wurde und auch aufgewachsen bin.

Wir sind als politische Flüchtlinge aus dem Krieg nach Deutschland gekommen. Ich hatte Gewalterlebnisse, ganz andere als Édith Piaf, aber eben aus dem Krieg, die mich sehr traumatisiert haben und die ich bearbeiten musste. Da hat mir vor allem die Musik sehr geholfen. Und ja, es gab eine Liebe in meinem Leben, die, als ich 25 Jahre alt war, der Tod durch einen Autounfall beendet hat. Das ist auch eine etwas traurigere Parallele zu Piaf mit ihrem Geliebten Marcel Cerdan, der im Flugzeugabsturz gestorben ist. Jedes Mal, wenn ich dann in die Lieder gehe, erlebe ich teilweise auch Bilder meines eigenen Schicksals wieder. Das aber in einer sehr versöhnenden Art und Weise, weil ich ja singe und meinen Atem spüre und merke, dass sich alles in gute Frequenzen verwandelt.

Traumatische Kriegserfahrungen

BR-KLASSIK: Braucht man vielleicht eine Erfahrung im Umgang mit Leid, um ein guter Künstler zu sein?

Vladimir Korneev: Das weiß ich nicht. Ich denke, dass wir alle im Leben leidvolle Erfahrungen machen, auf irgendeine Art und Weise, und lernen müssen, damit umzugehen. Mein Weg ist Meditation und Atemtechnik.

BR-KLASSIK: Sie haben als Kind gestottert. Stotterer können ja oft fließend und stotterfrei singen. War die Musik so etwas wie eine Rettung für Sie in Bezug aufs Stottern?

Vladimir Korneev: Das Stottern hat sich aufgrund der traumatischen Kriegserlebnisse in meiner Kindheit entwickelt. Aber in der Musik konnte ich mich immer ausdrücken, vor allem als Pianist. Ich habe bei Wettbewerben mitgemacht und Konzerte gegeben. Gesungen habe ich schon immer im Chor, auch im Schulchor des Augsburger Gymnasiums bei St. Stephan. Als ich mit 17 das Schauspiel für mich entdeckt habe und auf der Bühne stand, um zu spielen, da ist das Stottern weggegangen. Ich habe den Text einerseits vorbereitet und mich andererseits so tief in eine andere Rolle hineinversetzt, dass ich das Stottern einfach komplett verloren habe.

Als ich auf der Bühne stand, um zu spielen, ist das Stottern weggegangen.
Vladimir Korneev

BR-KLASSIK: Kunst war also Ihre Therapie?

Vladimir Korneev: Ich hatte Logopädie und Psychotherapie, aber das hat nicht viel gebracht. Die Bühne hat's weggemacht, einfach so.

Vladimir Korneev beim Münchner Rundfunkorchester

"La vie en rose" - Eine Hommage an Édith Piaf
Mittwoch, 25. Oktober 2023, 19.30 Uhr
Prinzregententheater, München

Vladimir Kornéev (Gesang), Markus Syperek (Klavier), Konstantin Ischenko (Akkordeon)
Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Ernst Theis

Alle Infos zum Konzert finden Sie hier.
BR-KLASSIK überträgt live.

BR-KLASSIK: Als Kind konnten Sie kein Wort Deutsch, als Sie in Augsburg an die Grundschule gekommen sind. War die Musik vielleicht auch ein Mittel, sich zu integrieren? Einen Zusammenhang zu finden zwischen Ihnen und diesem neuen Land, indem Sie lebten?

Vladimir Korneev: Ja, das stimmt. Es war ein Weg, mit Menschen in Kontakt zu treten, obwohl ich die Sprache noch nicht so gut konnte und dann auch noch stotterte. Es war ein Weg, um Erfolg zu haben. Dass mir Leute nicht alles vorsprechen, sondern mir zuhören, während ich auf der Bühne bin und ich mich trotzdem emotional ausdrücken kann, in einer tonalen Sprache halt.

Ich suche eigentlich immer nur die Freiheit, sowohl als Schauspieler als auch als Sänger.
Vladimir Korneev

BR-KLASSIK: Sie sind Schauspieler und Sänger. Beißt sich das? Vermissen Sie das eine, wenn Sie das andere machen?

Der Chansonnier und Schauspieler Vladimir Korneev | Bildquelle: Elena Zaucke Auf seinem neuesten Album singt Vladimir Korneev Chansons von Édith Piaf. | Bildquelle: Elena Zaucke Vladimir Korneev: Ah, ich liebe beides am meisten. (lacht) Ich sehe mich als Chansonsänger mit einer klassischen Ausbildung. Ich kann mit meiner Stimme so umgehen, dass ich in jeder Tonhöhe das umsetzen kann, was ich zeigen möchte. Das ist für mich eine schauspielerische Freiheit, weil ich dann Lieder so singen kann, wie ich auch einen Monolog spielen würde, weil ich wirklich gestalten darf. Ich suche eigentlich immer nur die Freiheit, sowohl als Schauspieler als auch als Sänger auf der Bühne vor der Kamera. Ich möchte einfach nur fließen und es mich spielen lassen und mich singen lassen.

Chanson ja, Oper nein

BR-KLASSIK: Klassisches Lied oder Oper, wäre das ein Projekt für Sie in Zukunft?

Vladimir Korneev: Ich bin ein großer Opernfan, aber ich habe nie Oper gesungen. Es war nie mein Weg. Aber ich habe viele gute Freunde, die Opernsänger sind. Die ganz großen Operndiven haben an meinen Chanson-Fähigkeiten gearbeitet: Diana Damrau hat mich gecoacht, und auch Waltraud Meier.

BR-KLASSIK: Das heißt, Sie lernen von der Klassik, aber Sie haben ein anderen Weg.

Vladimir Korneev: Ja.

BR-KLASSIK: Sie spielen ja mittlerweile im Fernsehen in einigen Filmen mit. Da übernehmen Sie häufig Rollen wie "Albanischer Auftragskiller" oder "Tschetschenischer Mafioso" oder "Rumänischer Zwangsarbeiter". Nervt Sie das eigentlich, in diese Kategorien eingeordnet zu werden?

Vladimir Korneev: Das war eher so, als ich angefangen habe. Natürlich entspreche ich mit meinem Gesicht jetzt nicht unbedingt dem Otto-Normal-Deutschen. (lacht) Da wird man eher für spezielle Rollen besetzt. Zuletzt habe ich in der Netflix-Produktion "Die Kaiserin" den russischen Zaren Alexander II gespielt und wir sind gerade für die Emmys nominiert. Ich bin also mit meinem Besetzungen ganz happy.

BR-KLASSIK: Herr Korneev, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christian Schuler für BR-KLASSIK.

Sendung: "Leporello" am 24. Oktober 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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