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Uraufführung von Honeggers "Antigone" Griff in die kompositorische Trickkiste

Brüssel, 28. Dezember 1927. "Antigone", eine Oper von Arthur Honegger, hat Premiere. Sie ist das Paradebeispiel einer Tragödie: Gegen den Willen ihres Onkels Kreon begräbt Antigone den Leichnam ihres Bruders, der auf dem Schlachtfeld liegt. Dafür muss sie sterben, der König ist starrsinnig, denn er hält Antigones Bruder für einen Verräter. Sein eigener Sohn und seine Frau verkraften diesen Starrsinn nicht, sie bringen sich beide um, der König bleibt allein zurück, zutiefst verzweifelt, er musste doch … die Staatsräson …

Bildquelle: Agence de presse Meurisse / Bibliothèque nationale de France

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Sofort überfällt einen bei "Antigone" Arthur Honeggers Musik: bedrohlich, aufgeregt, unheilschwanger. Und dazu was für ein Setting: grandios düsterer Text von Sophokles, ein aufs Wesentliche verknapptes Libretto von Jean Cocteau. Ein Bühnenbild voller rätselhafter geometrischer Figuren von Pablo Picasso. Antikisierende Kostüme von Coco Chanel. Und eben die spröde, kantige, schroffe Musik von Arthur Honegger.

Mitglied der "Groupe des Six"

Der ja eigentlich Mitglied der wild-anarchistisch-heiteren "Groupe des Six" ist, zusammen mit Darius Milhaud und Jacques Ibert. Aber leicht ist hier gar nichts in dieser Oper: Konzentriert und streng ist der Gesang, der immer in der Mittellage bleibt, ohne jemals den Verlockungen eines eigentlichen Gesangs zu erliegen, schneidend sind die Akzente, karg und geradezu melodiefeindlich die ganze Musik. Und doch packt Honegger hier die große Trickkiste aus und setzt ein, was er hat: von der Gregorianik über Bach’sche Polyphonie bis zu Polytonalität, Jazz­anklängen und Zwölftontechnik.

Zu fortschrittlich für die Zeit?

Die ersten Kritiken zu Arthur Honeggers einziger Oper sind sehr verhalten. Ziemlich modernistisch, so der Tenor, interessant, aber befremdlich. Vielleicht zu fortschrittlich, heißt es. Und so verschwindet die "Antigone" wieder in der Versenkung – bis zu einer Aufführung in Paris 1943 während der deutschen Besatzung. Warum? Als Metapher für den Sieg des Geistes über alle Willkür.

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Arthur Honegger: Antigone (1924/1927) | Bildquelle: Wellesz Opus (via YouTube)

Arthur Honegger: Antigone (1924/1927)

Was heute geschah

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Sendung: "Allegro" am 28. Dezember 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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