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Ludwig van Beethoven Klaviersonate Nr. 14 "Mondscheinsonate"

Es ist eines der bekanntesten klassischen Musikstücke überhaupt: der erste Satz aus Beethovens "Mondscheinsonate". Aber was hat es mit dem Titel der Sonate eigentlich auf sich? Der stammt nämlich nicht von Beethoven selbst. Und mit Mondschein hat die Sonate auch nichts zu tun. Gewidmet hat Beethoven sie seiner Klavierschülerin Giulietta Guicciardi. In die war er verliebt. Aber es war eine unglückliche Liebe. Spiegelt sich das in der Musik wider? Tatsache ist: Laien wie Nicht-Laien berührt diese Musik zutiefst. BR-KLASSIK stellt diese Sonate mit dem Pianisten Igor Levit vor.

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Ganz zart beginnt diese Sonate. Gebrochene Akkorde fließen in Triolen dahin, darunter eine absteigende Basslinie. Alles in geheimnisvollem cis-Moll. Klingt so die musikalische Umschreibung von Mondlicht, das sich glitzernd im Wasser spiegelt? Eine romantische Kahnfahrt bei Nacht auf dem Vierwaldstätter See, so wie der Dichter Ludwig Rellstab es empfand? Ihm verdankt diese Klaviersonate den populären Beinamen "Mondschein"-Sonate. Beethoven selbst überschrieb sein Opus 27 Nr. 2 mit "Sonata quasi una fantasia". Aber die Assoziation, dass dieser erste Satz eine Nachtszene abbilden könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Den Pianisten Igor Levit erinnert dieser Satz an eine Nachtszene in Mozarts Oper "Don Giovanni", mit der sich übrigens auch Beethoven intensiv beschäftigt hat: Don Giovanni hat gerade den Komtur im Garten erstochen, dieser liegt im Sterben. "Immer, wenn ich diese Sonate spiele, ist dies das Bild, das ich im Kopf habe. Ich setze mich ans Klavier und dann spielt sich im Kopf diese Szene ab."

Der erste Satz – Raum und Einsamkeit

Er hat eine besondere Atmosphäre, dieser erste Satz der Sonate. Für Igor Levit spiegelt er vor allem eines wider: Atmosphäre, Raum und Einsamkeit: "Beethoven komponiert keinen Gesang, sondern Raum. Es entstehen vier Wände und ein Dach – nicht mehr und nicht weniger. Nur Raum. Und in diesem Raum kommt der Mensch."

Beethoven hat die Popularität dieser Sonate genervt

Zweifellos ist dieser Satz eines der populärsten Klavierstücke überhaupt. Beethoven selbst war sogar genervt davon, dass seine sogenannte "Mondschein"-Sonate so viel Aufmerksamkeit bekam – im Gegensatz zu vielen anderen seiner Sonaten, die er für wesentlich besser hielt. "Ich würde behaupten: Von allen Beethoven-Sonaten ist das aus irgendeinem Grund DAS Identifikationsstück", sagt Igor Levit.

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Gibt es hier etwas Archetypisches?

Liegt in dieser Musik etwas Archetypisches, mit dem wir uns alle irgendwie identifizieren? Gibt es das in der Musik überhaupt? Die Frage lässt sich nicht klar beantworten. Denn was ist Musik? Igor Levit: "Es ist das, was du fühlst. Sie gehört uns allen und sie gehört niemandem. Es gibt nicht: Ich spiele nur, was Beethoven schreibt. Es gibt nicht: Liebes Publikum, wissen Sie – und jetzt mit erhobenem Zeigefinger – das und das ist hier passiert. Das funktioniert nicht. Denn ICH kann sagen, ich höre in diesem Satz dies, und DU hörst hier etwas absolut Anderes, und wir haben beide gleichermaßen recht."

Der zweite Satz – eine Blume?

Igor Levit 2023  | Bildquelle: picture alliance/dpa | Hannes P Albert Igor Levit | Bildquelle: picture alliance/dpa | Hannes P Albert Der Satz kommt aus dem Nichts und geht zurück ins Nichts. Und sofort geht es – ohne Pause – weiter mit dem zweiten Satz. Aus dem düsteren Moll führt uns Beethoven hier ins lichtere Dur. Leicht, luftig, unbeschwert klingt dieser kurze Satz. "Wie eine Blume zwischen zwei Abgründen", so bezeichnete ihn Franz Liszt. In der Tat wird dieses "Allegretto" von zwei schwergewichtigen Ecksätzen umrahmt. "Das mit der Blume ist ein schönes Bild", findet Igor Levit. "Der Satz hat aber auch eine, sagen wir, kleine Bäuerlichkeit. Es ist alles drin. Ein herrlich unkompliziertes Musikstück."
Der letzte Satz knüpft dann wieder an den ersten an. Er führt zurück ins düstere cis-Moll und ist mit "Presto agitato" überschrieben. Und so klingt er auch: sehr schnell, aufgewühlt, geradezu verzweifelt. "Dieses verzweifelte Element ist irre", so Igor Levit. "Und aus den Triolen werden Sechzehntel, die auch nur Räumlichkeit beschreiben. Das ist alles Raum. Die menschliche Stimme, sie kommt hier.. Im Grunde wird der erste Satz hier 'auf Speed' fortgesetzt."

Innerhalb der Sonatenform hat Beethoven die Welt hier neu geschaffen.
Igor Levit

Das Finale – der komponierte Weltuntergang

Vom Aufbau her hält Beethoven sich hier an die Sonatenhauptsatzform, die damals gängige Form. Trotzdem klingt die Musik nicht geordnet, sondern vielmehr so, als würde die Welt einstürzen. Und das ist typisch für Beethoven. Beethoven komponiert am Ende der sogenannten "Mondschein"-Sonate den totalen Weltuntergang. Spätestens hier ist es vorbei mit jeder Mondschein-Assoziation. Igor Levit fasst zusammen: "Diese Stücke wie die 'Mondscheinsonate',genau wie die 'Appassionata', die ja relativ ähnlich endet, schaffenein Gefühl von Katastrophe wie wenige andere Werke für Klavier. Und dies innerhalb strenger Form. Das sind, wie so häufig bei Beethoven, einfach Wundermomente."     

Musik-Info

Ludwig van Beethoven:
Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll, op. 27 Nr. 2 "Mondscheinsonate"  


Igor Levit (Klavier)
Label: Sony Classical

Sendung: "Das starke Stück" am 17. Juni 2025 ab 19:03 Uhr auf BR-KLASSIK

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