Paris, 11. November 1947. Iannis Xenakis flüchtet vor dem Bürgerkrieg in Griechenland. Als Widerstandskämpfer gegen die Monarchisten ist sein Leben bedroht. In Frankreich beginnt er nochmal von vorn: nicht als Bauingenieur, sondern als Komponist.
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In Griechenland tobt der Bürgerkrieg. Rechte gegen Linke, Kommunisten gegen Monarchisten, Partisanen gegen britische Besatzungstruppen. An vorderster Front dabei ist Iannis Xenakis, ein junger Idealist, Anführer der studentischen Widerstandsgruppe "Lord Byron". Am Athener Polytechnikum hat er ein Bauingenieurs-Studium absolviert. Er begeistert sich für Platon und hat die Partitur von Mozarts Requiem auswendig gelernt. Und er trägt die Spuren des Kriegs in seinem Gesicht.
Vor zwei Jahren, als britische Panzer durch Athen gerollt sind, hat Xenakis versucht, eine Familie zu retten. Eine Granate schlug neben ihm ein, verletzte seinen Kiefer, er verlor sein linkes Auge. Monatelang kämpften die Ärzte um sein Leben. Seiner Entschlossenheit hat das keinen Abbruch getan.
Immer wieder wird er in Militärlagern inhaftiert, immer wieder taucht er in den Untergrund ab. Als die Machtbalance zugunsten der Monarchisten kippt, droht ihm die Deportation auf die berüchtigte Gefängnisinsel Makronisos. In höchster Not besorgt ihm sein Vater einen gefälschten Pass. Im Frachtraum eines Schiffs, notdürftig getarnt durch eine schwarze Brille, verlässt er Griechenland. Gerade noch rechtzeitig – in Abwesenheit wird er zum Tod verurteilt.
Ich fühlte: Ich muss etwas Bedeutendes tun, um das Recht auf Weiterleben wiederzuerlangen.
Am 11. November 1947 erreicht Iannis Xenakis Paris. Sein Leben hat er gerettet, aber glücklich ist er nicht: "Viele Jahre wurde ich von Gewissensbissen gequält, weil ich das Land, für das ich kämpfte, verlassen habe. Und ich habe meine Freunde verlassen – einige waren im Gefängnis, andere tot. Ich hatte das Gefühl, dass ich in ihrer Schuld stehe. Und ich fühlte: Ich muss etwas Bedeutendes tun, um das Recht auf Weiterleben wiederzuerlangen."
Und das wird ihm gelingen: Wie ein Besessener stürzt sich Xenakis in die Arbeit, befasst sich mit Architektur, studiert noch einmal Musik. Und leistet in beiden Feldern Epochales. Aus dem Widerstandskämpfer wird schließlich einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
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Iannis Xenakis - "Terretektorh" für Orchester - Cresc... Biennale für Moderne Musik
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Sendung: "Allegro" am 11. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK