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05. September 1876 – Judith Gautier kehrt nach Paris zurück Wagners Geliebte verlässt Bayreuth

Bayreuth, 5. September 1876. Judith Gautier hat gepackt. Sie fährt zurück nach Paris. Die Uraufführung von Wagners "Ring" ist vorbei, das in der Nähe Wahnfrieds gemietete Haus leergeräumt und der Meister selbst wieder in den Schoß seiner Familie zurückgekehrt. Gattin Cosima darf aufatmen. Die Liaison zwischen dem "Orkan", wie Baudelaire die schöne Französin nennt, und ihrem "Gott, in dessen Augen sich die wunderbaren Farben des Saphirs spiegeln", ist vorbei. Zumindest was die räumliche Nähe betrifft. Alles Weitere wird sich zeigen …

Judith Gautier | Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

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Vor sieben Jahren sind sich die Tochter des berühmten französischen Romanciers Theophile Gautier und der um 30 Jahre ältere Komponist zum ersten Mal begegnet. Wagner hatte die junge Malerin, Bildhauerin, Schriftstellerin, Übersetzerin und Musikkritikerin, die sich so unermüdlich für seine Opern in Paris einsetzte, nach Tribschen eingeladen. Zusammen mit ihrem Mann. Man hatte angeregte Unterhaltungen geführt, musiziert und: geflirtet.

Sollte ich Sie heute Morgen zum letzten Mal umarmt haben?
Richard Wagner an Judith Gautier

Männerschwarm mit Augen aus Samt

Richard Wagner | Bildquelle: picture-alliance/dpa Richard Wagner | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dann war der Deutsch-Französische Krieg ausgebrochen. Und man musste sich auf Briefe beschränken. Aber jetzt hat Wagner sie wiedergesehen, geschieden und schöner als je zuvor. Alle französischen Intellektuellen zerreißen sich das Maul über sie, schwärmen von ihren "zärtlichen, träumerischen Augen aus Samt”, ihrem göttergleichen Körper, ihrem antiken Profil. Kein Wunder, dass auch Wagner der Frau verfallen ist, die nun zurück zu einem Musiker mit Namen Benedictus fährt. Noch gestern hat er ihr verzweifelt geschrieben: "Sollte ich Sie heute Morgen zum letzten Mal umarmt haben? Nein, ich werde Sie wiedersehen. Ich will es, weil ich Sie ja liebe."

Die Muse in der Ferne

Nun ist sie fort. Trotzdem ist es nicht ganz vorbei. Wagner wird Judith Gautier in den nächsten beiden Jahren viele leidenschaftliche Briefe schicken, heimlich arrangiert über seinen Barbier. Die Muse in der Ferne stimuliert ihn beim Komponieren, wird zur Adressatin geheimer Sehnsüchte, aber auch exotischer Luxuswünsche wie Seidenbrokat, Atlasseide, Duftwasser oder Bade-Essenzen: "Die Pantoffeln und die Iris-Milch: Ausgezeichnet", schreibt Wagner. "Aber ich brauche viel: ein halbes Flakon für ein Bad, und ich bade jeden Tag. Bitte denke daran."

1878 endet auch diese Korrespondenz. In Cosimas Tagebuch ist zu lesen: "Das Leid, vor welchem mir bangte, blieb nicht aus; von außen brach es herein! Gott helfe mir!"

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 05. September 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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