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Johann Sebastian Bach Partita für Violine E-Dur

Mit seinen Sonaten und Partiten für Violine solo trauerte Bach um seine verstorbene Frau Maria Barbara. Deswegen überwiegen in dem Zyklus die Moll-Tonarten. Bei der dritten und letzten Partita entscheidet sich Johann Sebastian Bach für ein helles strahlendes E-Dur. BR-KLASSIK hat mit dem Geiger Gil Shaham über das Stück gesprochen.

Johann Sebastian Bach | Bildquelle: Wikimedia Commons

Bildquelle: Wikimedia Commons

Die Sendung zum Anhören

Johann Sebastian Bachs Partita für Violine solo in E-Dur beginnt mit einem virtuosen Präludium. Diese Satzbezeichnung verwendet Bach nur einmal in seinem Zyklus der Sonaten und Partiten für Violine solo: In anderen seiner Werke kommt sie jedoch häufig vor – zum Beispiel im "Wohltemperierten Klavier" jeweils im Wechsel mit einer Fuge. Hier ist das Präludim der Auftakt zu einer Folge von Tanzsätzen nach dem Vorbild einer traditionellen französischen Barocksuite. Der Geiger Gil Shaham wählte deshalb für seine Aufnahme einen Barockbogen: "Heutzutage wird so viel darüber geforscht. Ich konnte schon einige wunderbare Aufführungen erleben und mit vielen Musikern über dieses Werk sprechen. Deswegen entschloss ich mich, mit dem Barocksteg, Barockbogen und Darmsaiten zu experimentieren. Andererseits wechsle ich auch zwischen den Sätzen und spiele wieder mit dem modernen Steg, dem modernen Bogen und den modernen Saiten."

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Tänze und gesellschaftliche Hierarchie

Mit dem zweiten Satz, der Loure, beginnt in der E-Dur-Partita die eigentliche Folge der Tänze. Für Gil Shaham spiegelt der Ablauf die gesellschaftliche Hierarchie wider: "Die Allemande oder in diesem Falle die Loure wurde nur vom Königspaar getanzt. Es ging allerdings noch sehr steif zu: Man bewegte lediglich ein wenig die Arme und Beine und verharrte in einer Pose. Mit der Bourrée wurde es dann lockerer, mit mehr Gesichtsausdruck und Bewegung. Und am Schluss tanzen endlich alle zusammen die Gigue. Dies alles findet man in dieser Partita. Sie ist so viel weniger formell als alle anderen, sie enthält all diese Galanterie, das Menuett, die Gavotte und die Bourrée."

Beethoven, Chopin, Brahms, Schumann und später Strawinsky, Prokofiev und Gubaidulina, Sting – sie wurden alle direkt von Bach inspiriert.
Gil Shahm

Bach als Inspirationsquelle

Geiger Gil Shaham | Bildquelle: © Luke Ratray Gil Shaham | Bildquelle: © Luke Ratray Der Loure folgt zunächst einmal die "Gavotte en Rondeau". Alle Schwere der vorangegangenen Sonaten und Partiten in Moll-Tonarten löst sich hier in einzigartige Leichtigkeit auf. Der Violinpart wechselt zwischen vereinzelten Doppelgriffen, die die Harmonien andeuten, und filigranen Melodiebögen. Auf die Gavotte folgen in Bachs E-Dur Partita, ganz der Hierarchie barocker Form entsprechend, zwei Menuette. Für Gil Shaham ist es faszinierend, wie schlicht und direkt diese Musik mit ihrer einfachen Thematik den Zuhörer anspricht. Das, so fügt er hinzu, habe in der Musikgeschichte seit Bach bis heute Komponisten und Musiker verschiedener Epochen und Zeiten beeinflusst und geprägt: "Wir wissen, dass Mozart in Leipzig für viele Monate sehr ernsthaft die Partituren Bachs studiert hat. Auch Beethoven, Chopin, Brahms, Schumann und später Strawinsky, Prokofiev und Gubaidulina, Sting – sie wurden alle direkt von Bach inspiriert. Das hört man aus ihrer Musik heraus. Darin liegt unser musikalisches Erbe."

Respekt vor dieser Musik

Mit der Bouree und der abschließenden Gigue steigert sich Bachs E-Dur-Partita, die erst so strahlend-virtuos beginnt und dann elegant weiterläuft, in ausgelassene Freude. Oder, um im Bild der erwähnten Hierarchie der Tänze zu bleiben: Alles tanzt nun auf dem Parkett vor dem Königspaar, das wieder Platz genommen hat. Nun heißt es: Wer will, wer mag tanzen. Bitte sehr! Doch bei aller Freude, aller Leichtigkeit, diese Musik zu spielen und zu genießen: Für Gil Shaham ist es immer eine besondere Herausforderung, gerade diese Violinsolomusik von Johann Sebastian Bach zu spielen, vor der er so großen Respekt hat: "Ich habe viele Jahre Angst davor gehabt, diese Musik zu spielen", gesteht der gefeierte Geiger. "Und dann habe ich entdeckt, was schon so viele Musiker vor mir festgestellt haben und was absolut richtig ist: nämlich, dass es keine größere Freude geben kann, als Bach zu spielen. Wenn mir eine Stunde zum Üben bleibt , und ich dann Bach spiele, höre ich vielleicht nach zwei Stunden auf. Selbst wenn man dabei nicht ganz zufrieden mit sich ist, bereichert es einen dennoch."

Musik-Info

Johann Sebastian Bach:
Partita für Violine solo Nr. 3 E-Dur, BWV 1006


Gil Shaham (Violine)
Eigenproduktion des BR

Sendung: "Das starke Stück" am 05. Dezember 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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