Die Frische seiner Komposition, die musikalische Qualität der Arabesken und der Läufe sowie der poetische Ausdruck sind das Zeichen der Genialität von Frédéric Chopin. Agnieszka Schneider hat mit William Youn über Chopins 2. Klavierkonzert gesprochen.
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Das starke Stück
Chopin - Klavierkonzert Nr. 2 f-moll op. 21
"Ich versuche, das so zu spielen, dass es meine Geschichte wäre. Das war eines seiner letzten Stücke, das er noch in Warschau geschrieben hat. Er wusste, dass da was kommt in seinem Leben – eine große Veränderung. Ich habe auch sehr viele Veränderungen erlebt in meinem Leben und ich kenne dieses Gefühl etwas zu erwarten." (William Youn)
Vom tragischen, pessimistischen und dennoch tröstlich klingenden Thema des ersten Satzes über den emotionsgeladenen, poetischen zweiten Satz bis hin zur temperamentvollen polnischen Folklore mit dem Geist der aufblühenden nationalen Musik: Chopin legt in seinem zweiten Klavierkonzert eine farbenreiche Gefühlspalette offen.
Sehnsucht, Träumerei, die Kühnheit der jugendlichen Jahre, Schmerz und Hoffnung werden hier vereint. All das verwandelte Chopin meisterhaft in weitgeschwungene Melodiebögen und perlenden Läufe. Dabei kann es über die übliche Tempobezeichnung hinweg gesehen werden, um diesem Moment der Inspiration einen Raum zu geben.
"Eine Melodie wird eine Sprache. Man muss das deklamatorisch verstehen. Es gibt ganz viele Ornamente, die in seiner Musik vorkommen. Und ich weiß genau, er hat eine gesangliche Passage gemeint – also nicht pianistisch in dem Sinne von Schnelligkeit. Sondern es muss gesprochen und gesungen werden." (William Youn)
Es ist nicht die Virtuosität, die das zweite Klavierkonzert ausmacht – es ist die Emotion dahinter. Die richtige Interpretation zu finden, ist nicht einfach. Chopin schrieb seine Werke sehr schnell und vielleicht an manchen Stellen etwas ungenau.
Punktangaben über den Noten, manche Pedaleinsätze oder die unterschiedlichen Frasierungsbögen sind in Chopins Partituren nicht eindeutig definierbar. Erst ein tiefes Verständnis für Chopins Denken und Fühlen lässt die vom Komponisten gewünschte Interpretation zu. Und die kann zweideutig sein – dennoch immer richtig.
Chopin setzte nur auf die Nuancen des Klaviers. Er war radikal und kümmerte sich wenig um das Orchestrale und um die sinfonischen Strukturen. Den ursprünglichen Part für das zweite Klavier schrieb der junge Komponist für ein Orchester um. Durch diese offensichtliche Vernachlässigung des Orchesters ist es für den Dirigenten nicht einfach die subtile Verbindung dazwischen herzustellen.
"Ich habe es so oft erlebt, die Dirigenten mögen nicht, dieses Konzert zu spielen, weil das Orchester nicht so viele Töne zu spielen hat. Aber es ist sehr heikel, das Klavier zu begleiten bei diesem Stück. Es ist wie eine Oper zu dirigieren. (...) Ein Operndirigent muss mitsingen mit den Sängern, die auf der Bühne stehen und beim Chopin-Konzert ist das genauso – sie müssen mit dem Klavier mitspielen, mitfühlen." (William Youn)
Frédéric Chopin
Klavierkonzert Nr. 2, f-moll, op. 21
William Youn, Klavier