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Stephen Sondheim wird geboren Jahrhundertgenie des Musicals

New York, 22. März 1930: Der Komponist und Textdichter Stephen Sondheim wird geboren.Ordnung aus dem Chaos schaffen – das war für den Schöpfer zahlreicher legendärer Musicals die Aufgabe von Kunst. Stephen Sondheim hat schon früh angefangen, seine eigenen Musicals zu schreiben – ermuntert von einem berühmten Nachbarn. So richtig beginnt seine Karriere, als er die Texte für die "West Side Story" verfasst. Doch auch eine Laufbahn als Autor von Kreuzworträtseln hätte Sondheim einschlagen können.

Der Musicalkomponist Stephen Sondheim | Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Charles Krupa

Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Charles Krupa

Ein Gastauftritt in der Zeichentrickserie "Die Simpsons" gilt als der Ritterschlag in der amerikanischen Popkultur. Wer dort durch den Kakao gezogen wird, der gehört zum kulturellen Gedächtnis der USA wie der sprichwörtliche Apfelkuchen und die Freiheitsstatue. Auch Stephen Sondheim darf in einer Episode der Simpsons seinem Zeichentrick-Alter-Ego seine Stimme leihen. Das soll für "Krusty den Clown" die Songs zu einer Show schreiben – allerdings ist Krusty von Sondheims künstlerischer Vision nicht sonderlich angetan: "Komplexe Harmonien, verspielte Liedtexte und geistreiche Beobachtungen über das moderne Leben – was soll dieser Mist", ruft der Zeichentrick-Clown entnervt. Genau aber das macht das Werk von Sondheim aus. Seine Musik und seine Texte klingen gefällig und gehen ins Ohr. Beim genaueren Hinhören entdeckt man dann die Tiefe, den großen künstlerischen Anspruch und das perfekte Handwerk in seinen Melodien und Worten.

Keine schöne Kindheit

Stephen Sondheims Kindheit muss sehr unglücklich gewesen sein. Er wird er in eine wohlhabende New Yorker Familie geboren – der Vater ist Kleidungsfabrikant, die Mutter arbeitet als Modedesignerin – doch das Verhältnis gerade zu ihr ist mehr als schwierig. Als er zehn ist, lassen sich seine Eltern scheiden, Stephen zieht mit seiner Mutter nach Pennsylvania auf eine Farm. Dort wendet sich sein Glück, denn Stephen freundet sich mit dem Nachbarsbuben an – James ist der Sohn des großen Oscar Hammerstein II. Und er, der Textdichter und Broadway-Magnat, wird zum Vaterersatz für Stephen – und zu einem Mentor. Hammerstein brachte ihm bei, seine eigene Stimme zu finden: Schreib nicht Lieder, die mich imitieren, schreib, was Du fühlst.

Von Präsident Obama geehrt

US-Präsident Barack Obama veleiht Stephen Sondheim die Presidential Medal of Freedom (2015). | Bildquelle: picture alliance / Consolidated News Photos | Ron Sachs US-Präsident Barack Obama veleiht Stephen Sondheim die Presidential Medal of Freedom. | Bildquelle: picture alliance / Consolidated News Photos | Ron Sachs Als Präsident Barack Obama dem Komponisten und Textdichter 2015 die Presidential Medal of Freedom verleiht, die höchste Auszeichnung der USA (übrigens zusammen mit Itzhak Perlman, dem Musiker-Ehepaar Estefan, Stephen Spielberg und Barbra Streisand), spricht Obama von Sondheim als dem Neu-Erfinder des amerikanischen Musicals: "Stephens Musik ist so schön, seine Texte so präzise, dass er die Fehler des alltäglichen Lebens transzendiert, während er sie noch aufdeckt", so der amerikanische Präsident.

Stephen hat das amerikanische Musical neu erfunden.
Barack Obama

Viele von Sondheims Songs wurden zu Jazz-Standards

Die Liste von Sondheims Erfolgen am Broadway – und in Hollywood – ist lang. "A Little Night Music", das Serienmörder-Musical "Sweeney Todd", "A Funny Thing Happened on the Way to the Forum" ("Toll trieben es die alten Römer"), "Into the Woods". Fast alle seine Werke werden zu Klassikern des Genres, viele seiner Songs zu Jazzstandards – etwa sein bekanntestes Lied "Send in the Clowns".

Auch Kreuzworträtsel verfasst Sondheim

Nebenbei findet Sondheim noch Zeit, Kreuzworträtsel zu lösen – und selbst welche zu verfassen. Schließlich sieht er die Aufgabe der Kunst darin, aus dem Chaos Ordnung zu schaffen – und diese Beschreibung, so Sondheim, passe auch ganz gut aufs Lösen und Verfassen von Rätseln.

Bernstein und Sondheim haben dasselbe Hobby

Aufs Rätseln hat ihn sein Mentor Oscar Hammerstein gebracht. Und als Sondheim zu Beginn seiner Karriere die Songtexte zur "West Side Story" schreibt, findet er in Leonard Bernstein einen ähnlich begeisterten Kreuzwort-Rätseler. Einmal in der Woche brüten Sondheim und Bernstein über dem verflixt schwierigen Kreuzworträtsel des englischen Magazins "The Listener": "Donnerstagnachmittag wurde an der 'West Side Story' nicht gearbeitet", erinnerte sich Sondheim: "Da mussten wir das Puzzle lösen".

Präzise Texte und ordentlicher Kontrapunkt

Für das New York Magazine verfasst Sondheim in den sechziger Jahren dann regelmäßig eigene Kreuzworträtsel – mit kryptischen Hinweisen wie "Broken harmonicas found floating in Manhattan", auf Deutsch: "Zerbrochene Harmonicas [sic!], die in Manhattan schwimmen". Die Lösung: Maraschino, ein Anagramm von "Harmonicas". Und Maraschino gehört halt einfach in einen ordentlichen Manhattan-Drink. So wie präzise Texte und ein ordentlicher Kontrapunkt zu einem Sondheim-Song.

Stephen Sondheim im Interview

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A Tribute To Stephen Sondheim - Extended Interview With Stephen Colbert | Bildquelle: The Late Show with Stephen Colbert (via YouTube)

A Tribute To Stephen Sondheim - Extended Interview With Stephen Colbert

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Sendung: "Allegro" am 22. März 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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