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20. Juni 1930 - Erfindung des Trautoniums Gruseltöne aus der Steckdose

Jahrhundertelang hat die musikmachende Menschheit mit Pferdehaar über Schafgedärm gestrichen und Schilfrohre zum Flattern gebracht. Und jetzt das: Melodien direkt aus dem elektrischen Netz. Durch seinen Einsatz in Hitchsocks "Die Vögel" erlangte das Trautonium rund drei Jahrzehnte nach seiner Erfindung internationale Bekanntheit.

Oskar Sala spielt auf dem Trautonium, August 1938 | Bildquelle: Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt / Valentin Kubina

Bildquelle: Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt / Valentin Kubina

Als einer der Ersten hat sich in den 1920er Jahren der Physiker Friedrich Trautwein mit Musik aus der Steckdose beschäftigt. Trautwein fallen bei der Entwicklung des Berliner Rundfunksenders die schlechten Mikrofone auf. Für Sprachübertragung im Radio eignen sie sich gerade noch, für Musik taugen sie gar nichts. Deshalb Trautweins Idee, die Mikrofone wegzulassen und Klänge direkt mit Verstärkerröhren oder Transformatoren zu erzeugen.

Bauen Sie mir doch mal ein elektronisches Musikinstrument!
Paul Hindemith an Friedrich Trautwein

An der Rundfunkversuchsstelle der Berliner Musikhochschule begegnet Trautwein dem Komponisten Paul Hindemith, der die Idee großartig findet: "Bauen Sie mir doch mal ein elektronisches Musikinstrument", sagt Hindemith. Und es dauert nicht lange, da kann Trautwein Erfolge vorzeigen. Eine neuartige Anordnung elektronischer Bauteile gibt seltsame Quäktöne von sich. Hindemith ist begeistert: "Dr. Trautwein", sagt er, "wenn Sie es schaffen, daraus ein Instrument zu bauen, und zwar am besten gleich drei, dann machen wir einen 'Elektrischen Abend', und ich komponiere was dafür."

Elektronische Musik auf BR-KLASSIK

Dienstag, 6. Februar 2018, 22:05 Uhr
Horizonte
Electronica zwischen Krachapparatur, Theremin, Mixturtrautonium und Micromodularsynthesizer
Von Roland HH Biswurm

"Elektrischer Abend" mit Paul Hindemith

Trautonium | Bildquelle: picture-alliance/dpa Das Trautonium von Friedrich Trautwein, um 1930: 23 cm hoch, 73 cm breit, 26 cm tief | Bildquelle: picture-alliance/dpa Und tatsächlich: Als am 20. Juni 1930 die Rundfunkversuchsstelle in der Reihe "Neue Musik Berlin" ein Konzert veranstaltet, stehen auf drei Tischen auf der Bühne Trautweins neue Musikinstrumente. Er war so frei und hat sie nach sich selbst benannt: "Trautonium". Auf dem Programm: Sieben Stücke von Paul Hindemith für drei Trautonien mit dem Titel: "Des kleinen Elektromusikers Lieblinge". Die Trautonien spielen: Hindemith selbst, der Hochschuldozent für Klavier Rudolf Schmidt, und Trautweins Assistent, der Pianist Oskar Sala.

Bedrohliche Soundeffekte in Hitchcocks "Die Vögel"

Als ein paar Jahre später die neue nationalsozialistische Regierung befindet, so etwas wie "Rundfunkversuchsstellen" brauche man nicht, und das Institut auflöst, wird Sala als Einziger mit dem Trautonium weitermachen. Er wird es zum Mixturtrautonium weiterentwickeln, wird damit Konzerte geben und im Hitchcock-Film "Die Vögel" die Geräusche fabrizieren. Heute, wo Sala und Trautwein längst tot sind und "Musik aus der Steckdose" zum Alltag gehört, ist das Trautonium ein faszinierendes Relikt aus alter Zeit. Im Deutschen Museum in München kann es bewundert werden.

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