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Die Sängerin Dee Dee Bridgewater wird 75 Powerhouse des Jazz

Ihre Bühnenpräsenz ist mitreißend, ihr Gesang herausragend. Die pure Lust am Musikmachen verleiht Dee Dee Bridgewater Energie für zehn - und die steckt in jedem Ton, den dieses "Powerhouse" des Jazz abfeuert, ob in gefühlvollen Balladen, souligen Songs oder wilden Bebop-Scats. Am 27. Mai feiert sie heuer ihren 75. Geburtstag.

Dee Dee Bridgewater by Michel Viala-dpa | Bildquelle: Michel Viala-dpa

Bildquelle: Michel Viala-dpa

Diese Frau ist ganz im im Hier und Jetzt. Ihre Auftritte: immer ein Ereignis. Und das nun schon seit bald 60 Jahren. Wenn sie scattet und Jazzklassiker interpretiert singt, schaltet sie auf die höchste Energiestufe. Das ist Dee Dee Bridgewater. Mit reichlich musikalischem Funkenflug zündet sie ihr Publikum an, und alle, die mit ihr zusammenspielen, ob im Jazzclub oder auf den ganz großen Bühnen. Vor zwei Jahren  in der Royal Albert Hall in London traf sie auf das sensationelle Carnegie Hall National Youth Jazz Orchestra. Wer dort mitmacht, ist zwischen 16 und 19 Jahren alt und könnte somit ohne weiteres ein Enkelkind der Sängerin sein. Doch bei den BBC Proms 2023 spielte der Altersunterschied zwischen Stargast und Orchester nicht die geringste Rolle. Mit großartig arrangierten Jazzklassikern aus dem Repertoire von Duke Ellington, Ella Fitzgerald und Billie Holiday sorgten sie für ein generationenübergreifendes Musik- und Performance Highlight.

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NYO Jazz Performs Mongo Santamaría’s “Afro Blue” with Dee Dee Bridgewater | Carnegie Hall+

Früh übt sich...

Geboren ist Denise Eileen Garrett am 27. Mai 1950 in Memphis, Tennessee, und aufgewachsen in Flint, Michigan, einer Arbeiterstadt. Dort habe sie gelernt, dass man hart arbeiten muss, wenn man etwas erreichen möchte im Leben, schrieb sie in einem ihrer regelmäßigen Facebook Posts. Ihr Vater ist Lehrer und Hobby-Trompeter, ihre Mutter, zu der sie ein Leben lang ein ganz enges Verhältnis haben wird, befüttert sie von klein auf mit Jazzklassikern, und so lernt Denise quasi noch vor dem Sprechen auch schon das Scatten. Als Teenager singt sie Soul und Jazz, lernt mit 20 ihren ersten Ehemann, den Trompeter Cecil Bridgewater, kennen und geht mit ihm nach New York, wo er von Pianist Horace Silver engagiert wird und sie als feste Sänger in der Big Band von Thad Jones und Mel Lewis landet. 1974 bringt sie ihr erstes Soloalbum heraus. Es heißt "Afro Blue" und auf dem Cover trägt Dee Dee Bridgewater ihr Haupt kahl, so wie auch in den vergangenen 15 Jahren. Damals wie heute will sie nicht über eine Frisur definiert werden und schön ist sie auch ohne Haare auf dem Kopf.

Auch am Broadway reüssiert sie Mitte der 70er Jahre und erhält für ihre Rolle als Glinda im Musical "The Wiz" einen Tony Award. Ihre Jazz Credibility baut sie in gemeinsamen Auftritten mit Sonny Rollins, Dexter Gordon und Dizzy Gillespie auf, ihrer Soul Seite frönt sie in der Zusammenarbeit mit Ray Charles, der sie dann auch sehr darin unterstützt, ihre Karriere in Europa auszubauen.

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Dee Dee Bridgewater - Midnight Sun (Jazzwoche Burghausen 1998) | Bildquelle: Live Performance Favorites (via YouTube)

Dee Dee Bridgewater - Midnight Sun (Jazzwoche Burghausen 1998)

In Frankreich eine Ikone

Mitte der 80er Jahre geht Dee Dee Bridgewater nach Paris, wo sie 15 Jahre lang leben und große Erfolge feiern wird. Nach ihrer zweiten Ehe mit Regisseur Gilbert Moses, dem Vater ihrer Tochter China, die inzwischen auch eine bekannte Sängerin ist, hat sie dort ihren dritten Mann Jean-Marie Durand geheiratet und ihren Sohn Gabriel bekommen. Neben ihren Engagements als Sängerin betreibt sie auch eine eigene Radio- und Fernsehshow; prestigeträchtige Musikpreise wie der "Victoire de la Musique" und der "Django d´Or" wurden ihr verliehen, und die Ehrenmedaille "Commandeur dans l´Ordre des Arts et des Lettres". 1986 ein Live-Album aus dem Club "New Morning" und 1994 das Album "Love and Peace" zu Ehren von Jazzlegende Horace Silver. Zehn Jahre später verlieh sie ihrer Verbundenheit mit Frankreich auch noch mit dem Album "J'ai deux amours" Ausdruck, auf dem sie die meisten Stücke in französischer Sprache singt.

Live ein Erlebnis

Sängerin Dee Dee Bridgewater in den 80er Jahren | Bildquelle: picture-alliance/dpa Sängerin Dee Dee Bridgewater in den 80er Jahren | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dee Dee Bridgewater möchte am liebsten als Musikerin, die singt, bezeichnet werden. Gleichzeitig ist sie eine hervorragende Darstellerin, die immer wieder an Musiktheaterproduktionen mitgewirkt hat. Sie ist eine mitreißende Bühnenpersönlichkeit mit ungeheurem Temperament, das sie ganz in Dienst wohl durchdachter Konzertdramaturgien stellt. Ihre wilden Silbensalven und Bläserimitationen beim Improvisieren, ihr Witz, aber auch ihr unwahrscheinliches Einfühlungsvermögen in ganz ruhigen Stücken machen ihre Auftritte zum Erlebnis. Einige davon sind auf CDs verewigt, wie etwa ein Clubdate im Jazzclub "Yoshi's" in Oakland, wo sie vor jauchzender Menge nicht nur zeitlose Jazzklassiker interpretierte, sondern auch eine umwerfende Version des testosterongesteuerten James-Brown-Hits "Sex Machine" lieferte. Ein Jahr zuvor war ihr Studioalbum "Dear Ella" erschienen, mit dem sie einen ihrer drei Grammys gewann. Nach Ella Fitzgerald widmete sie auch Billie Holiday ein Album: "Eleanora Fagan (1915-1959): To Billie With Love From Dee Dee" und wurde auch hierfür mit einem Grammy belohnt.

Dee Dee Bridgewater im "Motherland"

Da Dee Dee Bridgewater nicht selbst komponiert, hat sie lange Zeit in erster Linie Jazzklassiker interpretiert. Aber in den letzten zehn Jahren hat sich das ein bisschen geändert. Ihr aktuellstes Album etwa hat sie der Soul- und Rhythm&Blues-Tradition ihrer Geburtsstadt Memphis gewidmet. Doch der bedeutendste, stilistische Solitär in ihrer Laufbahn ist  ihr 2007 erschienenes Album "Red Earth - a Malian Journey". Auf der Suche nach ihren afrikanischen Wurzeln hatte sie sich nach Bamako begeben, der Hauptstadt von Mali. In dieser sich damals noch in friedlicheren Zeiten befindlichen Musikmetropole ging sie mit einer ganzen Reihe von westafrikanischen Stars ins Studio - darunter auch Sängerin Mamani Keita und Talking Drums Spieler Baba Sissoko. In dem Dokumentarfilm "Motherland" wird die Geschichte dieser besonderen Produktion erzählt. 2015 tat sich Dee Dee Bridgewater dann für ihr Album "Dee Dee's Feathers" mit Irvin Mayfield zusammen, einem jungen virtuosen Trompeter, der das New Orleans Jazz Orchestra leitet. Mit ihrer gemeinsamen Produktion wollte sie sich am ideellen Wiederbau der auch zehn Jahre nach Hurrikan "Katrina" in schlechtem Zustand befindlichen Stadt beteiligen. Besonders unter den afro-amerikanischen BürgerInnen hatten viele alles verloren und "The Big Easy" verlassen, weil ganze Sozialbauviertel nicht mehr aufgebaut wurden. Neben Klassikern aus dem Repertoire berühmter Kinder der Stadt - wie etwa von Louis Armstrong - interpretiert sie mit unwahrscheinlicher Energie und Expressivität auf dem Album auch Songs neueren Datums, etwa von Dr. John und John Boutté.

New Orleans ist inzwischen zu ihrer neuen Wahlheimat geworden. Während der Covid 19 Pandemie erfreute Dee Dee Bridgewater dort ihre Nachbarn mit wöchentlichen Veranda-Konzerten, riet auf ihrem Facebook-Kanal bei Depressionen aus eigener Erfahrung dringend zu Therapie, appellierte an den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diesen sieht sie inzwischen gefährdet vom grassierenden Alltags-Rassismus, den sie selbst auch erlebt, wie sie 2024 in einem Interview mit Stuart Nicholson berichtete. Im Gegensatz dazu konnte Dee Dee Bridgewater im Jazz-Umfeld einige erfreuliche Entwicklungen vermelden, als sie in diesem Jahr am 30. April beim All Star Konzert des "International Jazz Day" in Abu Dhabi die teilnehmenden Musikerinnen vorstellte und feststellte, dass der Jazz inzwischen kein "Boys´ Club" mehr sei, und stattdessen Frauen und Männer sehr gut gemeinsam im Jazz unterwegs seien.

Im Sommer wird Dee Dee Bridgewater im Rahmen einer Europatournee auch in München auftreten. Am 22. Juli 2025 ist sie zusammen mit drei herausragenden Musikerinnen der jüngeren Generation beim Jazzsommer im Bayerischen Hof zu erleben. "WE EXIST!" heißt das Programm, in dem sie auch Songs der Bürgerrechtsbewegung interpretieren wird, die Nina Simone und Roberta Flack in den 1960er Jahren sangen. Songs, die ungeahnte Relevanz in einer Gegenwart entwickeln, zu der sich Dee Dee Bridgewater mit den Mitteln ihrer Bühnenkunst positioniert und mit allem, was man sich an Dynamik, Witz und musikalischem Einfühlungsvermögen nur wünschen kann.

Dee Dee Bridgewater auf BR-KLASSIK

Classic Sounds in Jazz am 28. Mai 2025
Exklusive Archivschätze des Bayerischen Rundfunks
Das Oscar Peterson Trio in einer Live-Aufnahme vom 27. Mai 1965 aus dem Studio 1 des Bayerischen Rundfunks in München und das Ray Brown Trio mit Dee Dee Bridgewater 1997 bei den Erdinger Jazztagen
Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer

ARD Jazz. Das Magazin am 28. Mai 2025
Das wöchentliche Jazz-Update der ARD
Moderation und Auswahl: Niklas Wandt

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