Tschaikowsky pflegte eine intensive Brieffreundschaft mit Nadeschda von Meck. 14 Jahre hat sie gedauert, persönlich begegnet sind sich die beiden aber nie. Beim Mozartfest Würzburg rezitiert Corinna Harfouch aus den Briefen.
Bildquelle: Pascal Bünning
Mozartfest Würzburg
Gespräch mit Corinna Harfouch
BR-KLASSIK: Frau Harfouch, Nadeschda von Meck ist 45 Jahre alt, als sie in das Leben von Peter Tschaikowsky tritt. Welche Frau haben Sie in den Briefen kennengelernt?
Corinna Harfouch: Ich habe eine sehr gebildete, unglaublich starke Frau kennengelernt, die fähig ist, in leidenschaftlichster Art und Weise Musik zu lieben. Besonders Tschaikowskys Musik hat offensichtlich ihre Seele getroffen. Sie ist aber auch sehr radikal in der Ablehnung anderer Komponisten oder überhaupt in ihren Ansichten über das Leben gewesen. Sie ist eine Frau, die elf Kinder geboren hat, sie hat ein großes Haus geführt. Solange ihr Mann lebte, war sie wahrscheinlich wirklich die starke Frau im Hintergrund.
Ein musikalisch-literarisches Programm gestaltet Corinna Harfouch (Rezitation) am 15. Juni beim Mozartfest Würzburg gemeinsam mit Stefan Wilkening (Rezitation) und Hideyo Harada am Klavier. Hier finden Sie die Informationen zur Veranstaltung.
Besonders Tschaikowskys Musik hat offenbar ihre Seele getroffen
BR-KLASSIK: Sie bestellt bei Tschaikowsky, dessen Musik sie über alles liebt, eine Komposition, die sie ihm fürstlich entlohnt. So beginnt die Geschichte der beiden. Sie werden sich nie so richtig begegnen, sie werden sich nur Briefe schreiben. Wie finden Sie das, Frau Harfouch?
Nadezhda von Meck | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Corinna Harfouch: Das ist eben das Besondere. Deshalb wird dieser Briefwechsel auch so aufbewahrt und als etwas sehr Besonderes gesehen. Ich darf mir kein Urteil darüber erlauben, warum die beiden ihre Beziehung auf diese Weise geführt haben, aber ich empfinde das als sehr spannend. Und ich glaube auch, dass besonders sie sich nach den ersten Jahren des Briefwechsels gewünscht hat, ihm wirklich zu begegnen. Sie hatte sich, glaube ich, sogar in ihn verliebt. Er hat es aus Gründen, die ich auch nicht beurteilen möchte, lieber nicht gewollt. Er war sehr schüchtern. Die beiden haben sich nicht die Nöte aufgezwungen, sich tatsächlich in irgendeiner Art von Alltag zu begegnen. Deshalb beschäftigt sich dieser Briefwechsel meistens mit sehr geistigen Problemen und ist abgehoben von jeglichem Alltag, obwohl sie sich sehr tief austauschen über ihre Vorstellung vom Leben und ihrer Stellung zu Musik, zu Gesellschaft, zu Religion und so weiter.
Es in seinen Briefen spürbar, dass er seine Homosexualität auf keinen Fall ausdrücken will.
BR-KLASSIK: Tschaikowsky spielt so ein bisschen den Schüchternen, den Menschenscheuen, aber eigentlich hat er ja ein anderes Problem. Er gesteht seiner Umgebung nicht ein, dass er schwul ist. Wäre nicht Frau von Meck diejenige, der er sein Herz ausschütten könnte?
Komponist Peter Tschaikowsky | Bildquelle: wikimedia commons
Corinna Harfouch: Nein, ich glaube, da hat er ein sehr feines Gefühl dafür gehabt, dass es gerade sie auf keinen Fall ist. Es ist in seinen Briefen schon spürbar, dass er seine Homosexualität auf keinen Fall ausdrücken will. Und sie unterstützt ihn finanziell sehr viele Jahre und das macht auch etwas ganz Bestimmtes aus einem Verhältnis. Man kann ganz offen über vieles reden und dennoch gibt es ein Abhängigkeitsverhältnis. Mal abgesehen davon, dass es zu Tschaikowskys Zeiten, also besonders als er noch jünger war, strengste Gesetze, Geldstrafen, Gefängnis, manchmal sogar die Todesstrafe gab, was Homosexualität betraf. Es gab einen Paragrafen, der Homosexualität verbot und mit Sodomie, also mit Geschlechtsverkehr mit Tieren gleichgesetzt hat. Es war ein sehr stigmatisierendes Thema.
Das ist unser BR-KLASSIK-Buchtipp, wenn Sie in die Briefe von Peter Tschaikowsky und Nadeschda von Meck eintauchen wollen.
BR-KLASSIK: Frau Harfouch, nach fast 14 Jahren endet diese Brieffreundschaft. Angeblich, weil Frau von Meck nach über 1.200 Briefen aufhört zu schreiben. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass sie sich nicht mehr meldet?
Corinna Harfouch: Ich habe dafür keine Erklärung. Auch in der Forschung, soweit ich da informiert bin, hat das niemand wirklich herausgefunden. Es kann ja nur spekuliert werden und ich möchte mich diesen Spekulationen eigentlich nicht anschließen.
Sendung: "Allegro" am 12. Juni 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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