Wien, 04. Juni 1819: Beethovens "Missa solemnis" war ursprünglich als Festmesse zur Inthronisation seines Klavierschülers Erzherzog Rudolph als Erzbischof von Olmütz gedacht – doch die Bischofsweihe fand ohne ihre Aufführung statt.
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Gäbe es ein Ranking, wer der missmutigste Meister der Musikgeschichte ist – Ludwig van Beethoven hätte die besten Chancen, ganz oben zu landen. Zahlreiche Anekdoten belegen seinen misanthropischen Charakter: Er stellte die Schwächen seiner Musikerkollegen gnadenlos bloß und bewarf seine Haushälterin mit rohen Eiern.
Unter den wenigen Menschen, die einen vertrauten Umgang mit dem oft grimmigen Genie pflegten, war einer aus höchsten Kreisen: Erzherzog Rudolph, der jüngste Sohn Kaiser Leopolds II. Der Mäzen und sein Künstler – dieser Eindruck täuscht. Die Freundschaft zwischen Rudolf und Ludwig van Beethoven ist mehr als eine von Standeskonventionen geprägte Beziehung zwischen herrschaftlichem Geben und untertänigem Nehmen. Denn der 1788 in Florenz geborene Habsburger ist selbst ein hochbegabter Pianist und Komponist. Zeitweise ist er Beethovens einziger Schüler - und offenbar ein geschätzter: So lobt Beethoven dessen 40 Variationen über "Oh Hoffnung, oh Hoffnung", in denen Rudolph ein Liedthema seines Lehrers verarbeitet hatte, als "meisterhaft“.
Am 04. Juni 1819 wird der an Epilepsie leidende Enkel Maria Theresias zum Erzbischof von Olmütz ernannt. Ludwig van Beethoven macht sich sofort an die Komposition einer Messe, die Rudolphs Inthronisation den angemessenen musikalischen Rahmen geben soll und die wir heute als "Missa solemnis" kennen. Der Komponist freut sich: "Der Tag, wo ein Hochamt von mir zu den Feierlichkeiten für ihre Kaiserliche Hoheit soll aufgeführt werden, wird für mich der schönste meines Lebens sein. Und Gott wird mich erleuchten, dass meine schwachen Kräfte zur Verherrlichung dieses feierlichen Tages beitragen."
Beethoven wird das Versprechen, dass er seinem "durchlauchtigsten Schüler" in einem Brief gibt, zunächst nicht einlösen. Rudolphs Amtseinführung findet im März 1820 statt. Die fertige Reinschrift der "Missa Solemnis" wird er erst drei Jahre später in den Händen halten.
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Chor und Symphonieorchester des BR
Bernard Haitink dirigiert Beethovens "Missa solemnis"
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Sendung: "Allegro" am 04. Juni 2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK