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Fanny Hensel wird Mutter Kein ungetrübtes Glück

Berlin, 16. Juni 1830. Sebastian Ludwig Felix Hensel kommt zur Welt. Zwei Tage hat die Geburt gedauert, zwei Monate zu früh ist er dran. Das Baby ist so klein und schwach, dass die frisch gebackenen Eltern sich auf das Schlimmste gefasst machen. Vater Wilhelm zeichnet eine Fee ins Tagebuch und lässt sie, auf dem Papier, böse Fledermäuse vertreiben.

Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1842 | Bildquelle: picture-alliance / akg

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Dem Kleinen scheint das irgendwie zu helfen: Er überlebt und wird zum Wonneproppen. Blonde Haare hat er und kräftige Augenbrauen wie seine "Frau Mama Kantor", also Fanny Hensel, geborene Mendelssohn.

Fannys liberale Gesinnung

Es ist ein weltpolitisch wildes Jahr: Frankreich beginnt mit der Invasion in Algerien, in den USA wird der "Indian Removal Act" unterzeichnet, die angeregten Diskussionen über Aufklärung in den Berliner Salons verstummen. Fanny Hensel hat dennoch eine liberale Gesinnung, für sie steht die Meinungsfreiheit über allem. Der Kleine bekommt darum die Farben der Trikolore an die Strampelhosen genäht.

Zurechtweisung von Felix

Trotzdem, die ersten Monate mit Kind sind nicht eitel Sonnenschein. Nicht, weil das Baby brüllt. Nicht, weil die Beziehung zwischen Wilhelm und Fanny wackeln würde: "Es kommt uns unmöglich vor, dass Liebe und Zuneigung noch steigen könnten", schreibt Fanny Hensel 1831 in ihr Tagebuch. Sechs Wochen nach Sebastians Geburt hat Fanny weder Klavier gespielt noch komponiert. Sie klagt Bruder Felix ihr Leid, doch der weist sie etwas emphathielos, aber mit Humor in die Schranken: "Das Kind ist noch kein halbes Jahr alt und Du willst schon andere Ideen haben, als Sebastian (nicht Bach!)? Freu dich, dass du es hast und es nimmt mich nicht wunder, dass du keine Rabenmutter bist!"

Beim Komponieren blüht Fanny auf

Der Maler Wilhelm Hensel und seine Frau Fanny, geb. Mendelssohn. Stahlstich. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Fanny mit Ehemann Wilhelm Hensel | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Fanny ist die Rolle als Mutter und Ehefrau zu eng, es fehlt ihr der Gegenpol, es fehlt ihr die Musik, es fehlt ihr das Komponieren. Hilfe kommt von Ehemann Wilhelm. Jeden Morgen lotst er sie ans Klavier, bittet sie um eine kleine Komposition. Und die spielt Fanny ihm dann vor. Tag für Tag. Das Atelier von Wilhelm wird ihre künstlerische, ihre babyfreie Oase: Ums Klavier stehen halbfertige Gemälde, die Wände sind mit Skizzen übersät, es riecht nach Ölfarbe. Hier blüht Fanny wieder auf nach ihrer Depression. Plant Sonntagskonzerte und schreibt ein Oratorium nach "Bildern der Bibel".

Fannys drei Lieblingskomponisten

Und obwohl der Sprössling nicht dabei ist, schwirren und klingen zumindest seine Namensgeber durch das Atelier. Die drei Lieblingskomponisten von Fanny Hensel, nach denen sie ihren Sohn benannt hat: Sebastian – von Johann Sebastian Bach, Ludwig, nach Ludwig van Beethoven und Felix nach Bruder – und Onkel – Felix Mendelssohn.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 16. Juni 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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