BR-KLASSIK

Inhalt

Liszt und seine erste große Liebe Spätes Wiedersehen mit Marie d'Agoult

Paris, 27. Mai 1861: Franz Liszt und Marie d'Agoult treffen sich wieder - erstmals nach 17 Jahren. Nach ihrer Trennung streiten sie lange um das Sorgerecht und die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder. Das alles scheint vergessen, als sich der berühmte Virtuose und die Gräfin nach so langer Zeit erstmals wieder in die Augen blicken. Alte Gefühle kommen hoch. Dabei steht Liszt kurz davor, eine andere Frau zu heiraten.

Franz Liszt | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Der Beitrag zum Anhören

17 Jahre ist es her. Damals waren sie das Traumpaar von Paris: Der junge Franz Liszt und die sechs Jahre ältere Gräfin Marie d'Agoult. Die hatte sogar ihren Ehemann verlassen für den feurigen Klavier-Virtuosen. Ein Skandal. Liszt und die Gräfin lebten in wilder Ehe zusammen – elf Jahre lang. Eine turbulente Zeit mit Höhen und Tiefen. Zweifellos eine große Liebe. Aber an ihren gegensätzlichen Charakteren und Liszts häufigen Affären zerbrach die Beziehung schließlich. Zurück blieben: zwei gebrochene Herzen und drei uneheliche Kinder.

Liszts Rückkehr nach Paris

Es folgte ein jahrelanger Streit um Sorgerecht und Erziehung der Kinder. Liszt setzte sich durch - und kommt auch für die Kosten auf. Marie d'Agoult, die die Schriftstellerei für sich entdeckt hat, rächte sich ihrerseits am ehemaligen Geliebten mit ihrem Roman "Nélida", den sie unter ihrem Pseudonym Daniel Stern veröffentlichte. Darin kommt der Maler Guermann Régnier – alias Franz Liszt – ziemlich schlecht weg. Ansonsten herrschte zwischen dem einstigen Liebespaar eisiges Schweigen. Nach der Trennung von Marie d'Agoult mied Liszt Paris, so gut es ging – die Stadt, in der er so lange gelebt und berühmt geworden war. Doch im Mai 1861 ist Franz Liszt – inzwischen knapp 50 Jahre alt – für ein paar Wochen wieder in der französischen Hauptstadt. Eine Gelegenheit zur Versöhnung?

Erste Begegnung nach 17 Jahren

Marie D'Agoult, zeitwweise Lebensgefährtin von Franz Liszt | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images | Henri Lehmann Marie d'Agoult | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images | Henri Lehmann Am 27. Mai 1861 trifft sich das einstige Liebespaar. "Ich reich ihm die Hand. Er verhält sich still, sichtlich bewegt", schreibt Marie d'Agoult in ihr Tagebuch. Als sie Liszt kennenlernte, war er Anfang 20 gewesen. Ein junger Mann. Und jetzt? "Er ist sehr gealtert, aber er ist sehr schön geblieben." Auch Franz Liszt beschreibt das Wiedersehen mit Marie d'Agoult als bewegenden Moment: "Während sie zuhörte, als ich von mir erzählte (…), empfand sie, ich weiß nicht, was für ein Gefühl, und ihr ganzes Gesicht bedeckte sich mit Tränen. Ich küßte sie auf die Stirn, zum ersten Mal seit langen Jahren, und sagte zu ihr: Nun, Marie, lassen Sie mich in der Sprache der Bauern zu Ihnen sprechen. Gott segne Sie! Wünschen Sie mir nichts Böses!'"

Ihr ganzes Gesicht bedeckte sich mit Tränen.
Franz Liszt über Marie d'Agoult

So zumindest schildert Liszt die Begegnung in einem Brief an seine damalige Lebensgefährtin, die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein. Was seine eigenen Gefühle angeht, hält sich Liszt bedeckt. Aber kalt gelassen hat die Begegnung beide nicht.

Ein zweites Treffen

"Seit seiner Wiedererscheinung werde ich den Gedanken an ihn nicht los…", schreibt Marie d'Agoult wenige Tage später in ihr Tagebuch. Und so kommt es auch gleich zu einem zweiten Treffen mit Franz Liszt. "Zu Tisch bin ich allein gegangen, zurück lasse ich meinen Arm in seinen gleiten. Er drückt mir die Hand auf das herzlichste!" Dabei glaubt Marie d'Agoult aber noch etwas an Franz Liszt zu bemerken – eine Entwicklung, die sich schon zu Beginn seiner Virtuosenlaufbahn immer deutlicher abzeichnete: "Er wirkt auf mich wie ein Mann, der zufrieden ist, reich zu sein, ein elegantes Leben zu führen, sich in Paris à la Mode zum sehen, hohe Beziehungen zu haben. Aber traurig, tief traurig im Innern. Sein Ziel hat er gewiss nicht erreicht…"

Emotionaler Abschied

Am Tag von Liszts Abreise aus Paris treffen sich die beiden sogar ein drittes Mal. Marie d'Agoult erinnert sich an einen sehr emotionalen Abschied: "Als ich ihm 'Adieu' sage, erhebe ich mich spontan und küsse ihn, sehr bewegt; er ist ebenfalls äußerst ergriffen und verläßt mich mit einer Art Wunsch oder Segnung, deren Worte ich vergesse, aber die mich an gewisse Stunden von einst erinnert. Nach seinem Weggehen spüre ich die Leere um mich her… und vergieße Tränen…"

Als ich ihm Adieu sage, erhebe ich mich spontan und küsse ihn, sehr bewegt.
Marie d'Agoult über Franz Liszt

Franz Liszt und die geplatzte Hochzeit

Carolyne zu Sayn-Wittgenstein, die Lebensgefährtin Franz Liszts | Bildquelle: picture-alliance/dpa Carolyne zu Sayn-Wittgenstein, die spätere Lebensgefährtin Franz Liszts | Bildquelle: picture-alliance/dpa Von einem dritten Treffen erwähnt Franz Liszt in seinen Briefen an Carolyne Sayn-Wittgenstein nichts. Überhaupt wahrt er die Maske – zumindest nach außen. Wenige Monate nach diesem Wiedersehen mit Marie d'Agoult wird Liszt nach Rom aufbrechen. Dort gedenkt er die Fürstin Sayn-Wittgenstein zu ehelichen. Allerdings legt der Papst in letzter Sekunde doch noch sein Veto ein. Immerhin ist die Fürstin nach katholischem Kirchenrecht noch immer verheiratet. Eine Annullierung dieser Ehe wird verweigert. Also bleibt Franz Liszt ledig. Bald darauf entschließt er sich sogar dazu, sich zum Abbé weihen zu lassen.

"Schmerzhaftes Geheimnis"

Wäre es stattdessen nicht denkbar gewesen, die Liebesbeziehung zu Marie d'Agoult wieder aufzunehmen? Wohl nicht. Liszt wird die Gräfin in den folgenden Jahren noch einige wenige Male sehen. "Wenn Liszt ungebunden geblieben wäre, hätten wir uns liebend wiedergefunden", ist Marie d'Agoult alias Daniel Stern überzeugt. Aber: "Er ist Abbé Liszt, und ich bin Daniel Stern! Und wieviel Verzweiflung, Tote, Tränen, Schluchzen und Trauer zwischen uns!" Ihre Gefühle füreinander werden nie ganz verlöschen. So gesteht Franz Liszt seinem Schwiegersohn Èmile Ollivier nach dem Tod von Marie d'Agoult im Jahr 1876: "Das Andenken, das ich Mdm. d'Agoult wahre, ist ein schmerzhaftes Geheimnis. Ich vertraue es Gott an und bitte ihn, der Seele der Mutter meiner drei geliebten Kinder Frieden und Licht zu schenken."

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player