Nevers, 11. August 2000. Der Cellist der "Titanic", Roger-Marie Bricoux, wird für tot erklärt. Mit welchem letzten Lied das Orchester der "Titanic" das sinkende Schiff in den Abgrund begleitete, das lässt sich nicht mehr klären. Wahrscheinlich war es "Nearer, my God, to thee", ein in England und den USA populäres Kirchenlied. Es mag aber auch ein damals viel gespielter Walzer gewesen sein.
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Mit zahlreichen Augenzeugenaussagen belegt ist jedenfalls, dass das Orchester der "Titanic" bei ihrem Untergang 1912 bis zuletzt musizierte. Um die Passagiere, die in die viel zu wenigen Rettungsboote kletterten und auch die Zurückbleibenden zu beruhigen.
Roger-Marie Bricoux stammte aus einer musikalischen Familie – bereits sein Vater war Musiker gewesen, und so war es eigentlich nur folgerichtig, dass auch er ein Instrument lernen sollte. Am Konservatorium von Monaco errang der 1891 geborene Roger-Marie einen ersten Preis, seine Studien vollendete der junge Cellist am Pariser Konservatorium. Der Posten im Orchester der "Titanic" war erst seine dritte Anstellung, zuvor hatte Bricoux bereits in einem englischen Hotel Cello gespielt und auch schon auf einem anderen Überseedampfer.
Der Leichnam von Roger Bricoux wird nie geborgen, die Sterbeurkunde, die die amerikanischen Behörden für ihn ausstellen, erreicht Frankreich nicht. Deswegen – Bricoux sollte 1912 noch seinen Militärdienst antreten – erklärt das französische Militär den Toten zum Deserteur. Erst auf Betreiben der französischen Titanic-Vereinigung wird Bricoux offiziell für tot erklärt, 88 Jahre nachdem er mit der "Titanic" unterging. Offiziell hieß es: "Durch Urteil ergangen am 11. August 2000 erklärt die Familienkammer des Großen Tribunals von Nevers den hier genannten Roger-Marie Bricoux, Bordmitglied der Titanic, für in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 verstorben."
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Titanic - Nearer My God To Thee (Full Version)
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Sendung: "Allegro" am 11. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK