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Was heute geschah – 19. November 1871 Giuseppe Verdi besucht eine "Lohengrin"-Vorstellung

Bologna, 19. November 1871. Giuseppe Verdi besucht eine Vorstellung des "Lohengrin", der ersten Wagner-Oper jenseits der Alpen. Begeistert ist er nicht von der Musik. Noch weniger von der Tatsache, dass man ihm später vorwirft, Wagner imitiert zu haben. Jahre später jedoch findet er die passende Antwort.

Giuseppe Verdi - Eine Hörbiografie | Bildquelle: CD-Cover "Das Wahre erfinden" - eine Hörbiografie in acht Folgen

Bildquelle: CD-Cover "Das Wahre erfinden" - eine Hörbiografie in acht Folgen

Die Sendung zum Anhören

"Gesamteindruck mittelmäßig. Musik schön, wo sie klar ist und Gedanken vermittelt. Handlung zieht sich hin, genau wie der Text. Folglich: Langeweile. Schöne Instrumentaleffekte. Zu viele lange Noten, schleppende Wirkung. Durchschnittliche Vorstellung. Viel Schwung, aber ohne Poesie und Feinheit." Insgesamt 114 kritische Bemerkungen kritzelte Verdi während des Theaterbesuchs in seinen Klavierauszug.

Musik schön, wo sie klar ist und Gedanken vermittelt.
Giuseppe Verdi über den 'Lohengrin'

Pultstar kündigt die Gefolgschaft

Der Dirigent der vielbeachteten Produktion war Angelo Mariani, der bedeutendste italienische Dirigent der Zeit und bislang treuer Mitstreiter Verdis. Als jedoch Marianis Verlobte, die Sopranistin Teresa Stolz, eine "Ménage à trois" mit dem 20 Jahre älteren Komponisten und seiner Gattin Giuseppina zu führen begann, kündigte der verletzte Pultstar dem Komponisten die Gefolgschaft auf: Statt in Kairo die "Aida" aus der Taufe zu heben, widmete er sich in Bologna Verdis Erzrivalen Wagner – und spaltete damit Italiens Kulturwelt in zwei feindliche Lager.

Die "lohengrinisierte" Aida?

Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks Verdis Konkurrent Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks Die einen sahen im "Lohengrin" den Erlöser aus der verzopften Tradition des einheimischen "Melodramma"; die anderen hielten die germanisch wabernden Gralsklänge für eine ernste Gefährdung der klaren mediterranen Gesangstradition. Verdi "schwante" buchstäblich, dass dieser Streit nicht zuletzt auf seinem Rücken ausgefochten würde. Verstimmt schrieb er seinem Verleger Ricordi, er wolle die "Aida" verbrennen, sollte sie ihn in den Verdacht bringen, "lohengrinisiert" worden zu sein.

Tatsächlich musste sich Verdi fortan den Vorwurf der Wagner-Imitation anhören, wann immer er sich vom konventionellen Cabaletten-Schema entfernte. Vielleicht war es die Verbitterung hierüber, die ihn für die nächsten 15 Jahre verstummen ließ. Doch dann war seine Antwort auf Wagner gereift: Seine späten Meisterwerke "Otello" und "Falstaff" gaben alle Plagiatsvorwürfe der Lächerlichkeit preis. Und: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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