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Evolution statt Revolution Schönberg präsentiert seine ersten Zwölftonstücke

Wien, 30. März 1923: Arnold Schönberg präsentiert Alban Berg seine ersten vollendeten Zwölftonstücke. Aber warum klingt neue Musik neu? An den Instrumenten liegt es jedenfalls nicht, schließlich komponierten auch Schönberg und Co. überwiegend für die klassischen Orchesterinstrumente oder das Klavier. "Schuld" ist die Atonalität. Kein Dur und Moll mehr. Stattdessen gewagte Tonfolgen und Akkorde, bei denen überhaupt nicht mehr klar ist, wo wir uns tonartenmäßig bewegen.

Bildquelle: picture-alliance / akg-images / Erich Lessing | Erich Lessing

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Kompletter Wildwuchs, könnte man meinen. Ein System gegen die Willkür musste also her, das System der Zwölftontechnik, dessen Erfindung oft Arnold Schönberg zugeschrieben wird, was nicht ganz richtig ist, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Denn zweifellos hat Schönberg das Komponieren mit zwölf Tönen auf ein Level gebracht und mit einem theoretischen Überbau versehen wie niemand vor ihm. Und er hatte genug Chuzpe, die Entwicklungen breitbeinig für sich zu claimen.

Ich maße mir das Verdienst an, eine wahrhaft neue Musik geschrieben zu haben, welche, wie sie auf der Tradition beruht, zur Tradition zu werden bestimmt ist.
Arnold Schönberg

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Im Rahmen des Programmschwerpunktes "Der wilde Sound der 20er" veröffentlicht BR-KLASSIK exklusiv Auszüge aus dem Buch "Im Taumel der Zwanziger – Musik in einem Jahr der Extreme" von Tobias Bleek, das im April bei Bärenreiter/Metzler erscheint. Teile des Kapitels "Arnold Schönberg und die Entwicklung der Zwölftontechnik" können Sie hier bereits im Voraus lesen.

Und er hat Recht behalten. Die Fünf Klavierstücke op. 23, die Schönberg an diesem Märztag seinem Schüler und Freund Alban Berg vorspielt, markieren einen Wendepunkt in Schönbergs Schaffen, an den Berg sich so erinnert: "Schönberg selbst war ja sehr nett und wieder sehr freundschaftlich zu mir. Aber leider zugunsten anderer Freunde, über die er herzog. Vor allem über Webern und Polnauer, die immer, wenn er ihnen von seinen theoretischen Errungenschaften sprach, sagten: 'Ja, ich habe auch schon ...' Da er das von mir nicht annimmt, will er mir alle seine Geheimnisse in seinen neuen Werken zeigen."

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G. Gould - Five Piano Pieces, Op. 23 (A. Schoenberg) | Bildquelle: BAxitorCH (via YouTube)

G. Gould - Five Piano Pieces, Op. 23 (A. Schoenberg)

Der wilde Sound der 20er

Wissenswertes rund um die Musik der 1920er Jahre, Edutainment-Videos zu Schlüsselwerken und Musik der Epoche finden Sie hier im BR-KLASSIK-Dossier

Ästhetisches Neuland

12 aufeinander bezogene Töne. Alle Töne der chromatischen Tonleiter. Und jeder davon gleichberechtigt. Eine Revolution. Und Schönberg wurde nicht müde zu betonen, dass er mit diesen neuen Verfahren nicht nur die Kompositionsgeschichte maßgeblich prägen werde, sondern zugleich auch die Vorherrschaft der deutschen Musik für die nächsten Jahrzehnte, ja sogar das nächste Jahrhundert gesichert habe. Als Revolutionär sah er sich trotzdem nicht. Lieber reihte er sich in ein die Riege der ganz Großen. Bach, Mozart, Beethoven, Brahms, Wagner. Sie alle erklärte er zu seinen "Lehrmeistern".

Ich lege nicht so sehr Gewicht darauf ein musikalischer Bauernschreck zu sein, als vielmehr ein natürlicher Fortsetzer richtig verstandener, guter, alter Tradition!
Arnold Schönberg

Also Evolution statt Revolution, diese umstürzlerische Neugestaltung, die an diesem Märztag eine komplett neue Tür aufstößt.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 29. März 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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