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Leonard Bernstein beim BRSO Orchestermusiker erinnern sich

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: 1976 dirigierte Leonard Bernstein das BRSO zum ersten Mal. Der charismatische Amerikaner hat das Münchner Spitzenorchester damals im Sturm erobert. Das intensive und besondere Verhältnis hielt bis Bernsteins Tod im Jahr 1990. Zwei ehemalige Orchestermusiker erinnern sich.

Im Juni 1987 probte Leonard Bernstein mit dem Symponieorchester des Bayerischen Rundfunks die Große C-Dur-Sinfonie von Franz Schubert. Und verteilte dabei Komplimente am laufenden Band, wie auf einem Probenmitschnitt zu hören ist. "Dieses Crescendo war perfekt! Schön! Wie Gold!" Bernstein hatte die Gabe der positiven Rückmeldung. Alleinherrscherattitüde war nie sein Ding; seine Auftritte waren immer musikalische Gruppenreisen mit Orchester. Sehr spannend und bisweilen mit nicht genau definiertem Ziel, erinnert sich der Geiger Florian Sonnleitner: "Ich habe mir manchmal gedacht, am Anfang einer Probe oder wenn er den Arm hob, dass Bernstein selber nicht wusste, wohin die Reise ging. Man wusste immer nur: Es wird irgendetwas Besonderes gelingen."

Bernsteins faszinierende Persönlichkeit

Im Januar 1981 führte Bernstein mit dem BRSO den ersten Akt von Wagners "Tristan und Isolde" konzertant im Münchner Herkulessaal auf. Kontrabassist Heinrich Braun, der ein Jahr später erfolgreich sein Probespiel bei BRSO absolvieren würde, hat damals die Fernsehübertragung mitverfolgt. Bernsteins Persönlichkeit hat ihn "so richtig fasziniert". Und zwar nachhaltig: "Einer der Auslöser zu sagen, ich will in dieses Orchester rein, war diese Opernübertragung mit Bernstein."

Man wusste immer nur: Es wird irgendetwas Besonderes gelingen.
Der pensionierte BRSO-Musiker Florian Sonnleitner über Proben mit Leonard Bernstein

Vom weltumarmenden "Bauch"menschen ist bei Leonard Bernstein oft die Rede. Dabei hat er alles, was er dirigiert hat, intellektuell bis ins Kleinste durchdrungen. Das Beglückende bei Bernstein war dann – für ihn und das Orchester - noch etwas anderes: "Dieses Loslassen in dem Moment des Entstehens, wo man sich wirklich in einen Sog hineinbegeben hat, dem man nicht entkommen ist", erklärt Heinrich Braun.

Filmtipp: "Maestro" - Bewegende Hommage an Leonard Bernstein

Leonard Bernstein ist ab dem 6. Dezember auf der Kinoleinwand zu sehen, überzeugend gespielt von Bradley Cooper. Im Zentrum der neuen Filmbiografie "Maestro" steht eine Liebesgeschichte. Lesen Sie hier die Filmkritik.

Als Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Sommer 1988 in Diessen am Ammersee im Marienmünster "Maria Himmelfahrt" das Mozartrequiem aufführen, liegt eine seltsam gedämpfte, rätselhafte Stimmung über dem Konzert: "Es ging einem von Anfang an so unter die Haut, weil man merkte, dass noch was anderes dahintersteckte", erzählt Heinrich Braun. Erst später verriet Bernstein, dass er die Aufführung seiner Frau Felicia gewidmet habe – zum 10. Todestag.

Es ging einem von Anfang an unter die Haut.
über Bernsteins Dirigat des Mozartrequiems 1988

Herzlichkeit, Menschlichkeit und Strenge

Leonard Bernstein bei Proben mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München 1977. | Bildquelle: United Archives | Lindinger Leonard Bernstein bei Proben mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München 1977. | Bildquelle: United Archives | Lindinger Florian Sonnleitner und Heinrich Braun haben beim BRSO einige Chefdirigenten und zahllose Gastdirigenten erlebt. Liebgewonnen wie Bernstein haben sie nur noch einen. Und Hoffnung, dass es jetzt mit ihrem neuen Chefdirigenten Simon Rattle wieder ähnlich schön wird, haben sie auch: "Das war bei Bernstein diese Mischung zwischen Herzlichkeit, Menschlichkeit und Strenge, die dann ja auch bei Jansons wieder so zu erleben war. Und das könnte jetzt bei Simon Rattle wieder so sein", hofft Heinrich Braun.

Rivalität zwischen Bernstein und Karajan

Viel ist geschrieben worden über die Rivalität zwischen Bernstein und Herbert von Karajan, der seinen Konkurrenten angeblich aus Eifersucht nicht "seine" Berliner Philharmoniker dirigieren lassen wollte. Aber der barocke Bernstein war im Süden sowieso viel besser aufgehoben. Und man könnte ja auch so sagen: Hier hat wiederum Karajan keinen Fuß in die Tür gekriegt. Und das BRSO hatte viele beglückende Erlebnisse mit seinem amerikanischen Lieblingsdirigenten. Florian Sonnleitner vergleicht Bernstein mit "einer Art Komet, der mit der Annäherung an die Sonne sozusagen immer heller aufglüht und dann auch irgendwann wieder verlöscht. Wir haben die Aufglühphase erlebt, und die dauerte 14 Jahre."

Sendung: "Leporello" am 6. Dezember 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Freitag, 08.Dezember, 11:22 Uhr

Publikum

Das Phänomen Bernstein

Verehrter Roland,

der "Hype" um Leonard Bernstein hatte zu seinen Lebzeiten sicher nicht "außermusikalische Gründe" - nein, es war seine intensiv-emotionale und zugleich souveräne Art der Interpretation, die Musiker zu Höchstleistungen brachte und dem Publikum überwältigende Musikerlebnisse schenkte.

Vielleicht springt der Funke ja über, wenn Sie sich z.B die live Interpretation von Mahlers 2. Symphonie (1973/74) zu Gemüte führen oder seine allerletzte Produktion aus dem Jahr 1990 - kurz vor seinem Tod - mit dem SOBR in der Basilika Waldsassen...

Mittwoch, 06.Dezember, 08:00 Uhr

Roland

Bernstein das Medienphänomen

Habe mir gerade auf Anregung des Artikels noch einmal die Aufnahme von Mozart "Requiem" angehört.

Und was soll ich sagen? Einfach nur langgezogen und undifferenziert, oberflächlich larmoyant, aber letztlich keine Emotionen hervorrufend.

Bernstein ist für mich der überschätzeste Dirigent überhaupt. Ein paar gute Aufnahmen fallen mir ein, aber ihn zum echten künstlerischen Rivalen Karajans hochzustilisieren, scheint mir unangebracht. Eine Rivalität Karajan vs. Solti scheint mir da viel sinnfälliger.

Der Hype um Bernstein muss außermusikalische Gründe haben.

Dienstag, 05.Dezember, 18:21 Uhr

Luca Ronconi

Freude!

Danke für diesen sehr schönen und interessanten Beitrag!

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