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München, 16. Juni 1985. Die Geigerin Anne Sophie Mutter probt mit den Münchner Philharmonikern unter Sergiu Celibidache das Sibelius-Violinkonzert und sagt danach den abendlichen Auftritt ab.

Der Eindruck täuscht bei der Generalprobe. Der damalige Philharmoniker-Chef Sergiu Celibidache, erklärtermaßen kein Freund von Solokonzerten, hatte sich im Vorfeld des Konzertes hinreißen lassen zu einer Ausnahme mit der 21-jährigen Anne-Sophie Mutter als Solistin. Und die, ganz Profi, lässt im ersten Satz des Sibelius-Konzerts nichts ahnen von irgendwelcher Disharmonie. Doch als Celibidache für das anschließende Adagio ein besonders langsames, wie er meint, nordisches Tempo, fordert, kommt es mit der jungen Solistin zum Eklat: "Ich konnte keinen Spannungsbogen aufbauen unter dieser wirklich unverrückbaren Zerpflückung des Werkes, die für mich auch so gar keinen Sinn zu machen schien", erinnert sich die Geigerin. "Und Maestro Celibidache versuchte auch gar nicht, mich zu überzeugen. Ich fühlte mich wirklich unterm Joch."

Der Unmut des Publikums ist groß.

Sergiu Celibidache | Bildquelle: picture-alliance/dpa Abends vor dem Konzert der Philharmoniker im Münchner Herkulessaal kleben Plakate an den Eingangstüren, auf denen zu lesen steht, dass Anne Sophie Mutter ihren Auftritt aus künstlerischen Gründen abgesagt habe. Ein Konzert, für das es drei Monate im Voraus keine Karten mehr gab.
Der Unmut des Publikums ist groß. Erst recht, weil Celibidache pikanterweise als Ersatz für das Sibelius-Konzert auch noch Haydns "Militär-Symphonie" aufs Programm setzt. "Wenn nun anstelle des Sibelius-Konzertes der erste Teil des Konzertabends wenigstens annähernd einen Ersatz geboten hätte, wäre die Enttäuschung geringer gewesen",schreibt der Kritiker Albrecht Röseler später über das abgeänderte Programm.

Aber Anne-Sophie Mutter bereut ihren Schritt nicht

Anne Sophie Mutter kehrt erst nach der langen Ära Celibidaches als Solistin zu den Philharmonikern zurück. Ihre Absage in der damaligen Generalprobe ist bis heute die einzige geblieben, zu der sie sich jemals einem renommierten Dirigenten gegenüber gezwungen sah. Bereut hat sie diesen Schritt als junge Geigerin allerdings nicht, denn: "Als ich meine Zweifel aussprach und mich zurückzog, das war der Augenblick, in dem ich so etwas wie Respekt in Celibidaches Augen aufflackern sah."

Sendung: "Allegro" am 16. Juni 2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK