Prag, 24. Mai 1875. Bedřich Smetana ist auf beiden Ohren taub. Das Leiden kam schnell und völlig unerwartet. Entsprechend sucht Smetana sämtliche Spezialisten auf, die ihm empfohlen werden. Auch in Würzburg lässt er seine Ohren unter die Lupe nehmen. Vielleicht ist es nur eine vorübergehende Überreizung des Gehörnervs?
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Rein äußerlich scheint an Smetanas Ohren alles gesund zu sein. Dennoch verschlimmert sich das Kreischen, Dröhnen und Pfeifen."Geräusche kann er schon wahrnehmen, wenn jemand auf der Gasse das Holz spaltet. Wenn jemand auf ihn einspreche, höre er aber nur a-a-a!" So beschreibt es Smetanas Freund Ladislav Quis.
Das Kapellmeisteramt musste Smetana bereits niederlegen. Er verdient fast kein Geld mehr, kann ja nicht einmal mehr Klavierunterricht erteilen. Smetana sieht sich gezwungen, alte Freunde anzubetteln, um die sündhaft teuren Arztrechnungen zu begleichen. Aus blanker Not wird er nun mit der Familie aufs langweilige Land ziehen. Eigentlich ist Smetana durch und durch Städter: Er liebt das Theater, die Kaffeehäuser, die Geselligkeit. Aber Prag ist mittlerweile zu teuer für ihn. Also klammert er sich hoffnungsvoll an jeden Strohhalm, der ihm gereicht wird und der ihm vielleicht sein altes Leben zurückbringt.
Der neueste Plan seines Arztes klingt vielversprechend: Einer Kur soll sich Smetana unterziehen. Der Komponist wähnt sich schon in einem mondänen böhmischen Kurort, wie Marienbad oder Karlsbad. Aber von wegen mondän. Die Kur findet in seiner Wohnung mitten in Prag statt, wo er ganz allein zu sein hat. Seine Frau Bettina versucht ihn aus der Ferne mit Briefen aufzumuntern: "Der Arzt muss es wissen, und wenn er nicht sicher wäre, dass die Kur dir nützen wird, würde er dir eine so grausame Kur nicht auferlegen."
Diese Kur ist wirklich grausam. Draußen herrscht schönster Frühling. Und Smetana darf nicht einmal die Fenster öffnen, geschweige denn die Wohnung verlassen, wie er sich beklagt: "Die Kur bestand aus dem Einschmieren der Ohren und des Körpers mit einer Salbe. Vier Wochen soll die Kur währen, Klavierspielen ist strengstens untersagt. Ich darf auch mit niemand reden."
Nach viereinhalb Wochen Eingesperrtsein geht er zum ersten Mal spazieren. Bedřich Smetana ist wackelig auf den Beinen, saugt gierig die frische Luft ein und er ist vor allem eins: verzweifelt. "Wenn meine Krankheit unheilbar ist, wünschte ich, von diesem leidvollen Dasein bald erlöst zu werden."
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The Smetana Quartet: Bedrich Smetana, String Quartet N.1 in E minor ("From My Life")
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Sendung: "Allegro" am 24. Mai 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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