Dieser Drive, diese Stimme und diese Melodieführungen voller melancholischem Charme. Bei Charles Aznavour klang selbst die Traurigkeit elegant. Er schrieb fast tausend Lieder und wurde weit über die Grenzen Frankreichs hinaus berühmt.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Charles Aznavour war einer, den man sofort erkannte. Wenn der Chansonnier in die Rolle von einem schlüpfte, der auszieht, um die große Welt, also Paris, zu erobern – laut Text leichten Herzens und mit wenig Gepäck -, dann tat er das mit enormer Kraft.
Bei ihm tanzten die Silben schneller und geschmeidiger als bei anderen, der Background swingte mitreißender. Und das zart sandig aufgeraute Timbre ließ melodische und sprachliche Bögen mit unfassbarer Selbstverständlichkeit erstrahlen. So war der Sound, so war das musikalische Wesen von Charles Aznavour.
Man ahnte es, auch wenn man es nicht wusste: Viele Lieder, die er schrieb und sang, nahmen eine Wendung ins Ernste, Desillusionierende. Denn dieser Sänger war keiner von den Banalen. Charles Aznavourian, wie er einst hieß, Sohn armer armenischer Einwanderer, musste kämpfen. In der Anfangszeit hatte er vernichtende Kritiken einzustecken. Seine Reaktion: Der 1,61 Meter kleine, schmächtige Mann mit den dunklen Balken von Augenbrauen streckte sich nach der Decke und wuchs zum Show-Giganten heran, eroberte die großen Musikhallen, zeigte seine einprägsame Mimik in berühmten Filmen.
Wer sonst gab der Traurigkeit so eleganten Schwung? Gab es ein so fabelhaftes Handwerk als Autor und als Virtuose der ganz großen Showdimensionen nochmal? Man nannte ihn Frankreichs Sinatra, doch Aznavour war umfassender begabt. Fast tausend Lieder schrieb er, darunter welche, die auf Deutsch so hießen: "Als es mir beschissen ging". Musikalisch klang das nie dieser Aussage entsprechend, sondern blieb frisch, zupackend, gekonnt. Sieben Jahrzehnte umspannte seine Karriere schließlich. Er wurde 94 und trat noch zwei Wochen vor seinem Tod auf. Wenn die Melancholie der Blues der Franzosen ist, dann war Charles Aznavour dessen größte Stimme.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.